Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
vielleicht Gerry Patterson den Bericht sehen würde, oder sogar sein entfernter Bekannter Hosiah Jackson. Aber sie schafften es nicht, die Kameras schnell genug aufzubauen, um filmen zu können, wie er sein Geschenk auspackte.
Yu tat das auf seinem Schreibtisch, und als er sah, was es war, blickte er mit sichtlicher Überraschung auf. Er hatte zwar mit einer Bibel gerechnet, aber dieses Exemplar musste Hunderte von Dollar gekostet haben … Es war eine Ausgabe der King-James-Fassung in einwandfreiem Mandarin und herrlich illustriert. Yu stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um seinen italienischen Amtsbruder zu umarmen.
»Möge der Herr Sie dafür segnen, Renato«, sagte Yu tief bewegt.
»Wir dienen Ihm beide, so gut wir können. Ich dachte, das ist etwas, worüber Sie sich freuen würden.« Genauso gut hätte DiMilo diese Worte auch zu einem verdienten Pfarrer in Rom sprechen können, aber in gewisser Weise war Yu das ja auch.
Indessen fluchte Barry Wise still vor sich hin, weil er diesen Moment nicht in den Kasten bekommen hatte. »Wir erleben es nicht oft«, bemerkte er, »dass Katholiken und Baptisten so freundschaftlich miteinander verkehren.«
Die Antwort darauf kam von Yu, und diesmal lief die Kamera. »Es ist uns gestattet, Freunde zu sein. Wir arbeiten für denselben Boss, wie Sie in Amerika sagen.« Er ergriff noch einmal DiMilos Hand und schüttelte sie herzlich. Er bekam selten ein so ehrlich gemeintes Geschenk, und besonders ungewöhnlich war es, es hier in Peking von einem, wie manche seiner amerikanischen Amtsbrüder sie nannten, Papisten zu bekommen, und das auch noch von einem italienischen. Das Leben hatte also doch einen Sinn. Der Glaube des Reverend war stark genug, um selten daran zu zweifeln, aber dennoch war es eine Gnade, es hin und wieder bestätigt zu bekommen.
Die Wehen setzten zu schnell ein, und zu heftig. Lien-Hua nahm sich zusammen, so lang sie konnte, aber nach einer Stunde wurden die Schmerzen so schlimm, als hätte ihr jemand in den Bauch geschossen. Ihre Knie wurden weich. Sie tat ihr Bestes, um sich auf den Beinen zu halten, aber es ging einfach nicht mehr. Ihr Gesicht wurde kreidebleich, und sie sank auf den Betonboden. Eine Kollegin eilte ihr sofort zu Hilfe. Selbst Mutter, wusste sie, was los war.
»Ist es so weit?«, fragte sie.
»Ja«, stieß Lien-Hua mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
»Ich hole Quon«, sagte die Frau und machte sich unverzüglich auf den Weg. Damit nahm für Lotusblüte das Unheil seinen Lauf.
Der Vorarbeiter sah eine Arbeiterin aus der Halle laufen und eine andere auf dem Boden liegen. Mehr von Neugier getrieben als von dem Bedürfnis zu helfen, ging er auf Yang Lien-Hua zu, etwa so, als wolle er sehen, was bei einem Autounfall passiert war. Bisher war ihm die Frau kaum aufgefallen. Sie kam ihren Pflichten zuverlässig nach, ohne dass viel Schreien und Schimpfen nötig war, und sie war bei ihren Kollegen beliebt. Das war eigentlich schon alles, was er über sie wusste – und über sie wissen zu müssen glaubte. Blut war nirgendwo zu sehen. Sie war also nicht wegen eines Unfalls oder maschinellen Defekts hingefallen. Seltsam. Als er sah, dass sie eindeutig starke Schmerzen hatte, blieb er untätig stehen und fragte sich, was sie haben könnte. Da er jedoch weder Arzt noch Sanitäter war, wollte er nichts unternehmen. In der 200 Meter entfernten Erste-Hilfe-Station gab es eine Krankenschwester. Die andere Frau war vermutlich losgelaufen, sie zu holen, dachte er.
Nach ein paar Minuten verzerrte sich Lien-Huas Gesicht plötzlich wieder stärker, weil heftigere Wehen einsetzten. Er sah, wie sie die Augen schloss, blass wurde und in raschen, keuchenden Stößen zu atmen begann. Ach so, dämmerte es ihm, so ist das also. Seltsam. Eigentlich musste er über so etwas Bescheid wissen, damit er sich um Ersatz am Fließband kümmern konnte. Doch dann wurde ihm noch etwas klar. Das war keine genehmigte Schwangerschaft. Lien-Hua hatte gegen das Gesetz verstoßen, und das konnte ein schlechtes Licht auf seine Abteilung werfen, und auf ihn als Vorarbeiter … Aber er wollte sich doch eines Tages ein Automobil kaufen können!
»Was ist mit dir los?«, herrschte er sie an.
Aber Yang Lien-Hua war im Moment nicht in der Lage, zu antworten. Die Wehen kamen wesentlich schneller als bei Ju-Long. Warum hat es nicht bis Samstag warten können?, wollte sie vom Schicksal wissen. Warum will Gott, dass mein Kind durch Abtreibung stirbt? Sie
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