Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
wirklich, sie könnten uns unsere Gesetze diktieren?«
»Ja, Zhang, das glauben sie. Sie messen diesem Zwischenfall erstaunlich große Bedeutung bei.«
»Diese beiden Polizisten gehören erschossen für das, was sie getan haben, aber wir können den Amerikanern nicht gestatten, sich derart in unsere Angelegenheiten einzumischen.« Die Peinlichkeit des Zwischenfalls war eine Sache – und den Staat zu blamieren war in der Volksrepublik oft ein Kapitalverbrechen –, aber China musste eine solche Entscheidung aus freien Stücken treffen, nicht auf Anordnung eines Außenstehenden.
»Sie nennen es barbarisch«, fügte Shen hinzu.
»Barbarisch ? Das sagen die zu uns ?«
»Sie wissen, dass die Amerikaner in manchen Dingen sehr empfindlich sind. Das vergessen wir oft. Und ihre religiösen Führer haben einigen Einfluss in ihrem Land. Unser Botschafter in Washington hat uns deswegen mehrere Warnungen geschickt. Es wäre besser, wenn wir etwas Zeit hätten, damit die Lage sich wieder beruhigen kann, und mit Sicherheit wäre es besser, die zwei Polizisten zu bestrafen, um die amerikanische Volksseele zu besänftigen, obwohl ich Ihnen natürlich insofern Recht gebe, dass wir nicht zulassen dürfen, dass sie sich in unsere inneren Angelegenheiten einmischen.«
»Und dieser Gant behauptet, sein ji ist größer als unserer?«
»Hat Xue mir gesagt. Unseren Akten zufolge ist er Börsenmakler und hat viele Jahre eng mit Minister Winston zusammengearbeitet. Er ist Jude, wie viele von ihnen …«
»Der Außenminister ist auch Jude, oder?«
»Minister Adler? Ja«, bestätigte Shen nach kurzem Nachdenken.
»Demnach ist also dieser Gant derjenige, der ihren tatsächlichen Standpunkt vertritt?«
»Wahrscheinlich«, sagte Außenminister Shen.
Shang beugte sich vor. »Dann machen Sie ihnen unseren klar. Das nächste Mal, wenn Sie diesen Gant sehen, sagen Sie ihm: Chou ni ma de bi .« Das war eine ziemlich üble Beschimpfung, die man in China am besten nur zu jemandem sagte, wenn man bereits eine Waffe in der Hand hatte.
»Ich verstehe«, erwiderte Shen, wohl wissend, dass er etwas Derartiges höchstens zu einem besonders niedrigen Untergebenen in seinem eigenen Büro sagen würde.
Zhang verließ den Raum. Darüber musste er mit seinem Freund Fang Gan sprechen.
34
TREFFER
Im Verlauf der vergangenen Woche war Ryan dazu übergegangen, schon beim Aufwachen mit schlechten Nachrichten zu rechnen, und das hatte sich bald auch auf seine Familie übertragen. Als seine Kinder ihn beim Frühstück nach Neuigkeiten zu fragen begannen, wusste er, dass er die Sache zu schwer nahm.
»Was wird in China passieren, Dad?«, wollte Sally wissen und gab damit ihrem Vater einen weiteren Anlass zum Lamentieren. Sally sagte nicht mehr ›Daddy‹ zu ihm, obwohl ihm diese Anrede viel kostbarer war als ›Mr. President‹. Als er mit Cathy darüber gesprochen hatte, hatte sie nur gemeint, damit müsse er sich einfach abfinden.
»Das wissen wir nicht, Sally.«
»Aber angeblich weißt du doch alles!« Außerdem würden ihre Freundinnen in der Schule sie danach fragen.
»Sally, der Präsident weiß nicht alles. Zumindest ich nicht.« Ryan blickte vom Early Bird auf. »Und falls du es noch nicht gemerkt hast, in den Fernsehern in meinem Büro laufen CNN und die anderen Nachrichtensender, weil ich von ihnen nicht selten mehr erfahre als von der CIA.«
»Wirklich?« Sally sah zu viele Filme. Für Hollywood war die CIA eine gefährliche, gesetzlose, antidemokratische, faschistische und von Grund auf böse Regierungsbehörde, die trotzdem alles über jeden wusste und Präsident Kennedy aus eigenen Interessen umgebracht hatte (worin diese allerdings bestanden, hatte Hollywood noch nie so recht erklären können). Aber das tat nichts zur Sache, weil der jeweilige Star es immer schaffte, der fiesen, alten CIA bis zum Nachspann oder zum letzten Werbeblock, je nach Format, eins auszuwischen.
»Ja, wirklich, Liebling. Die CIA hat zwar ein paar gute Leute, aber im Grunde genommen ist sie auch nur eine ganz normale Regierungsbehörde.«
»Und was ist mit dem FBI und dem Secret Service?«
»Das sind Polizisten. Polizisten sind was anderes. Mein Dad war Cop, das weißt du doch.«
»Klar.« Und damit wandte sie sich wieder dem ›Style‹-Teil der Washington Post zu, in dem sich auch die Comics und die Artikel befanden, die sie interessierten, meistens solche, die sich um jene Art von Musik drehten, die ihr Vater nicht leiden konnte.
Dann klopfte es, und
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