Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
verschließt. Danach kommt Italien, aber auch diese Tür ist uns vor der Nase zugeworfen worden. Paris, London, nicht einmal die Avantgarde-Designer in Dänemark und Wien reagieren auf unsere Anrufe. Ich habe meinen Repräsentanten Anweisung erteilt, mit allen potentiellen Märkten Kontakt aufzunehmen, und sie sagen alle das Gleiche: Niemand will mit China Geschäfte machen. Nur Amerika könnte uns retten, aber das wird es nicht tun.«
»Wie groß ist Ihr Verlust?«
»Wie gesagt, einhundertvierzig Millionen Dollar nur von dem geplatzten Geschäft mit Butterfly und noch einmal ein Betrag in etwa derselben Höhe von unseren anderen amerikanischen und europäischen Kontrakten.«
Fang musste nicht lange nachrechnen, um zu wissen, wie viel davon an die Regierung der Volksrepublik abgefallen wäre.
»Wie sieht es bei Ihren Kollegen aus?«
»Ich habe mit einigen gesprochen. Es ist überall das Gleiche. Der Zeitpunkt könnte kaum schlechter gewählt sein. Alle unsere Verträge sind etwa zur gleichen Zeit fällig. Hier geht es um Milliarden von Dollar, Minister. Um Milliarden .«
Fang zündete sich eine Zigarette an. »Ich verstehe. Was wäre nötig, um Abhilfe zu schaffen?«
»Etwas, womit wir Amerika positiv stimmen können. Und zwar nicht nur die Regierung, sondern auch die Bevölkerung.«
»Ist das wirklich wichtig?«, fragte Fang etwas genervt. Diesen Blödsinn hatte er schon so oft von so vielen Seiten gehört …
»Fang, in Amerika können die Menschen ihre Kleidung kaufen, in welchem Laden und von welchem Hersteller sie wollen. Dort entscheiden die Menschen über den Erfolg – oder Misserfolg – eines Unternehmens. Die Branche Frauenbekleidung ist so sprunghaft wie kaum eine andere. Da ist nicht viel nötig, um ein solches Unternehmen zu ruinieren. Als Folge davon gehen diese Firmen keine zusätzlichen unnötigen Risiken ein. Und mit der Volksrepublik Geschäfte zu machen, sehen sie im Moment als ein unnötiges Risiko an.«
Fang nahm einen Zug von seiner Zigarette und dachte nach. Das war etwas, das er, rein verstandesmäßig, immer gewusst aber nie akzeptiert hatte. Amerika war ein anderes Land und es hatte andere Regeln. Und weil China amerikanisches Geld wollte, musste sich China an diese Regeln halten. Das war keine Politik. Das war praxisorientiertes Handeln.
»Und was möchten Sie nun, dass ich tue?«
»Bitte , sagen Sie Ihren Ministerkollegen, dass die Angelegenheit unseren finanziellen Ruin bedeuten könnte. Für unsere Branche ist es mit Sicherheit so – und wir sind eine wichtige Kraft für unser Land. Wir bringen finanzielle Mittel nach China. Wenn Sie diese Mittel wollen, um sie für andere Dinge ausgeben zu können, dann müssen Sie auf unsere Bedürfnisse Rücksicht nehmen.« Ren konnte allerdings nicht sagen, dass er und seine Kollegen in Industrie und Wirtschaft die wirtschaftlichen (und deshalb auch politischen) Initiativen des Politbüros überhaupt erst möglich machten, und dass deshalb das Politbüro hin und wieder auf sie hören sollte. Aber Fang wusste jetzt schon, was das Politbüro darauf erwidern würde. Ein Pferd mag zwar den Karren ziehen, aber man fragt das Pferd nicht, wohin es gehen will.
Das war die politische Realität in der Volksrepublik China. Fang wusste, dass Ren in der Welt herumgekommen war, dass er ein beträchtliches persönliches Vermögen besaß, welches ihm die Volksrepublik großzügigerweise anzuhäufen gestattet hatte, und dass er intelligent und fleißig genug war, um es an jedem Ort, an dem er sich niederzulassen entschloss, zu etwas zu bringen. Fang wusste auch, dass Ren jederzeit nach Taiwan fliegen und sich die nötigen Kredite beschaffen konnte, um dort eine Firma aufzubauen, in der ebenfalls chinesisch aussehende und sprechende Menschen beschäftigt wären, und dass er dort ebenfalls Geld verdienen und etwas politischen Einfluss erhalten würde. Vor allem wusste er auch, dass Ren das wusste. Würde er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen? Wahrscheinlich nicht. Er war Chinese, ein Bewohner des Festlands. Das war sein Land, und er hatte nicht den Wunsch, es zu verlassen, sonst wäre er jetzt nicht hier, um sein Anliegen dem einzigen Minister vorzutragen, der vielleicht ein offenes Ohr für ihn hatte – das heißt, Qian Kun würde vermutlich auch auf ihn hören. Ren war Patriot, aber kein Kommunist. Was für eine seltsame Dualität das doch war …
Fang stand auf. Dieses Treffen hatte lange genug gedauert. »Ich werde es für Sie tun, mein
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