Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
selbstsicheren Lachen entgegengenommen. Fortlaufen aus einer uneinnehmbaren Mini-Festung? Was für ein Quatsch. Aber jetzt war er allein. Jede seiner Stellungen war allein. Und …
Der Geschützturm dröhnte wie eine misstönende Glocke, als eine schwere Granate von ihm abprallte, und dann …
»Scheiße!«, schrie der Kanonier. »Scheiße! Mein Geschütz ist beschädigt!«
Komanow lugte aus einem der Sehschlitze – ja, er konnte es sehen. Er sah, dass das Geschützrohr Schmauchspuren aufwies und … tatsächlich, es war verbogen. War das möglich? Das Rohr eines Geschützes war die robusteste Konstruktion, die Menschen erschaffen konnten – aber sie hatte sich tatsächlich ein wenig verbogen. Folglich handelte es sich nicht mehr um einen Geschützlauf, sondern nur noch um ein sperriges Stück Stahl. Es hatte 34 Schuss abgegeben, doch nun musste es schweigen. Ohne dieses Geschütz würde Komanow niemals einen chinesischen Panzer zerstören. Er atmete tief durch, um sich zu sammeln. Ja, es war an der Zeit.
»Den Posten zur Sprengung vorbereiten!«, befahl er.
»Jetzt?«, fragte der Kanonier ungläubig.
»Auf der Stelle!«, ordnete der Oberleutnant an. »Alles bereitmachen!«
Auch dafür gab es eine Drillübung, und sie hatten sie durchexerziert. Der Ladeschütze holte eine Abbruchsprengladung und befestigte sie zwischen den Granatenregalen. Dann wickelte er das Zündkabel von seiner Spule ab. Der Kanonier beachtete nicht, was um ihn herum vorging, sondern kurbelte den Turm nach rechts, um sein koaxiales Maschinengewehr auf einige herannahende Soldaten abzufeuern. Danach drehte er sich schnell in die andere Richtung, um diejenigen zu treffen, die sich inzwischen von der anderen Seite her genähert hatten. Komanow verließ seinen Sitz in der Kommandantenkuppel und blickte sich um. Dort standen sein Feldbett und der Tisch, an dem sie alle gegessen hatten, da drüben waren Waschraum und Dusche. Dieser Bunker war zu ihrem Zuhause geworden, einem Ort nicht nur der Arbeit, sondern auch der Entspannung. Doch jetzt würden sie ihn den Chinesen überlassen müssen. Das war unfassbar, aber es ließ sich nicht leugnen. Im Kino würden sie jetzt bis zum bitteren Ende kämpfen, aber Schauspieler hatten es ja auch viel leichter. Die konnten gleich danach mit der Arbeit an ihrem nächsten Film beginnen.
»Nun machen Sie schon«, befahl er seinem Kanonier, der eine letzte lange Salve abfeuerte, ehe er von seinem Sitz heruntersprang und auf den Fluchttunnel zulief.
Komanow zählte seine Männer durch und folgte ihnen dann. Als ihm bewusst wurde, dass er seine Absicht nicht dem Regiment mitgeteilt hatte, zögerte er. Nein, dafür war jetzt keine Zeit mehr. Er würde diese letzte Information vom BTR aus durchgeben.
Der Tunnel war so niedrig, dass sie gebückt laufen mussten, aber wenigstens war er beleuchtet. Als der Reservekanonier die schwere Tür nach draußen öffnete, wurden sie vom Lärm einschlagender Granaten empfangen.
»Ihr habt euch verdammt viel Zeit gelassen«, knurrte ein Feldwebel in den Dreißigern sie an. »Los, los!«, drängte er und winkte sie zu seinem BTR 60.
»Warten Sie.« Komanow nahm den Drehzünder und befestigte die Drahtenden des Zündkabels an den Klemmen. Dann ging er in Deckung hinter der Betonmauer, in der die Stahltür eingefasst war, und drehte die Kurbel einmal.
Die Abbruchsprengladung bestand aus zehn Kilogramm TNT. Zusammen mit den gelagerten Granaten erzeugte das eine Explosion, die klang, als würde das Ende der Welt gleich durch den Fluchtunnel verkündet. Und auf der anderen Seite des Hügels schnellte der schwere Geschützturm des JS-3 wie eine Rakete gen Himmel – zur erstaunten Freude der chinesischen Infanteristen. Damit war Komanows Arbeit getan. Er wandte sich um und folgte seinen Männern in das gepanzerte Mannschafts-Transportfahrzeug. Es stand unter einem mit Gras bedeckten Betondach, war also perfekt getarnt gewesen. Nun raste es den Hügel hinab nach Norden, der Sicherheit entgegen.
»Die schleichen sich«, stellte der Sergeant dem Major gegenüber fest und tippte gegen den Fernsehbildschirm, auf dem die Aufnahmen von Marilyn Monroe zu sehen waren. »Diese Mannschaft hier hat gerade ihren Geschützturm in die Luft gejagt. Das ist jetzt die dritte, die Schluss macht.«
»Erstaunlich, dass sie sich überhaupt so lang gehalten haben«, bemerkte General Wallace. Die Vorstellung, fast unbeweglich in einem Kampfgebiet zu hocken, war ihm völlig fremd. Er hatte
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