Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
dumm gewesen, anzunehmen, dass die andere Seite sich einfach umbringen lässt. Natürlich werden sie sich wehren. Aber wir haben die überlegenen Kräfte, und wir werden sie zerschmettern. Wir werden diese neue Goldmine in der Tasche haben, noch bevor diese Sitzung zu Ende ist«, versprach der Verteidigungsminister. Aber sein Versprechen klang für einige der Anwesenden ziemlich hohl.
»Was noch?«, bohrte Qian weiter.
»Die amerikanischen Marineflieger haben letzte Nacht angegriffen, und es ist ihnen gelungen, einige Schiffe unserer Südflotte zu versenken.«
»Welche?«
»Nun, wir haben nichts mehr von unserem strategischen Unterseeboot gehört, und…«
»Sie haben unser einziges Unterseeboot mit Interkontinental-Marschflugkörpern versenkt?«, fragte Ministerpräsident Xu. »Wie konnte das geschehen? Lag es im Hafen?«
»Nein«, gestand Luo. »Es war auf See, zusammen mit einem anderen Atom-Unterseeboot, und das scheint ebenfalls verloren zu sein.«
»Großartig!«, bemerkte Tong Jie. »Jetzt greifen die Amerikaner schon strategische Ziele an! Das bedeutet, dass die Hälfte unserer atomaren Abschreckung verloren ist, und das war noch die sichere Hälfte. Was passiert da, Luo? Und was geschieht als Nächstes?«
Fang Gan fiel auf, dass Zhang merkwürdig ruhig war. Normalerweise wäre er zu Luos Verteidigung aufgestanden, aber außer der einen versöhnlichen Bemerkung überließ er den Verteidigungsminister seinem Schicksal. Was hatte das zu bedeuten?
»Was sagen wir dem Volk?«, fragte Fang in dem Versuch, die Versammlung zu wichtigen Punkten zu führen.
»Das Volk wird das glauben, was wir ihm sagen«, sagte Luo.
Alle nickten sich in ängstlicher Übereinkunft zu. Sie hatten tatsächlich die Kontrolle über die Medien. Der amerikanische Nachrichtensender CNN hatte seine Arbeit in der gesamten Volksrepublik eingestellt, genau wie alle anderen westlichen Nachrichtendienste. Das galt sogar für Hongkong, wo alles normalerweise weniger streng gehandhabt wurde. Kein Mitglied des Politbüros erwähnte es, aber alle machten sich Sorgen darüber, dass jeder Soldat eine Mutter hatte und einen Vater, denen es auffallen würde, wenn die Post ausblieb. Nicht einmal eine so umfassend kontrollierte Nation wie die Volksrepublik China konnte verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kam – oder Gerüchte, die, auch wenn sie falsch waren, noch schlimmere Auswirkungen haben konnten als die Wahrheit. Die Menschen glaubten auch Nachrichten, die ihnen nicht offiziell mitgeteilt wurden, ganz besonders, wenn diese Nachrichten mehr Sinn ergaben als die offizielle Wahrheit, die von der Regierung in Peking proklamiert wurde.
Die Wahrheit wird in diesem Raum allzu oft gefürchtet, dachte Fang, und zum ersten Mal in seinem Leben fragte er sich, warum das so sein musste. Wenn man Angst vor der Wahrheit haben musste, konnte das vielleicht bedeuten, dass sie etwas falsch machten? Aber nein, das konnte doch nicht sein, oder? Hatten sie denn nicht ein perfektes Modell für die Wirklichkeit? War das nicht Maos Erbe an sein Land?
Aber wenn es so war, warum hatten sie dann Angst, dass die Menschen womöglich in Erfahrung brachten, was tatsächlich passierte?
Verhielt es sich vielleicht so, dass sie, die Mitglieder des Politbüros, mit der Wahrheit umgehen konnten, das einfache Volk jedoch nicht?
Wenn sie aber fürchteten, das Volk könne die Wahrheit erfahren, bedeutete das nicht wiederum, dass die Wahrheit auch für die Leute in diesem Raum eine Gefahr war? Und wenn die Wahrheit eine Gefahr für Arbeiter und Bauern darstellte, hatten sie dann nicht Unrecht?
Plötzlich wurde Fang bewusst, wie gefährlich diese Gedanken waren, die ihm da durch den Kopf gingen.
»Luo, was bedeutet es für uns, wenn die Amerikaner die Hälfte unserer strategischen Waffen vernichten?«, fragte der Innenminister. »War das ein gezielter Angriff? Und wenn ja, aus welchem Grund?«
»Tong, man versenkt nicht aus Versehen ein Schiff, also, ja, der Angriff auf unser strategisches Atom-Unterseeboot war ein gezielter Anschlag«, antwortete Luo.
»Dann haben die Amerikaner absichtlich eines der wenigen Mittel zerstört, mit denen wir sie hätten direkt angreifen können? Warum? War das etwa eine politische Handlung und nicht nur eine militärische?«
Der Verteidigungsminister nickte. »Ja, so könnten Sie es bezeichnen.«
»Müssen wir damit rechnen, dass die Amerikaner uns direkt angreifen? Bis jetzt haben sie nur ein paar Brücken zerstört, aber wie steht
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