Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
zwei niedliche Grübchen neben den Mundwinkeln und ein sehr anmutiges Lächeln, wie er fand, in einem ansonsten eher farblosen Gesicht.
»Sie leben in einem faszinierenden Land«, sagte er. »Übrigens, Ihr Englisch ist ganz ausgezeichnet.« Und das war nicht übertrieben. Sein Mandarin ließ noch einiges zu wünschen übrig, es reichte bei weitem nicht aus für verführerische Komplimente.
Ein erfreutes Lächeln. »Danke. Ich lerne auch sehr fleißig.«
»Was für Bücher lesen Sie?«, fragte er, ihr Lächeln erwidernd.
»Romane, von Danielle Steel und Judith Krantz zum Beispiel. Amerika bietet Frauen sehr viel mehr Möglichkeiten als mein Land.«
»Amerika ist interessant, aber chaotisch«, sagte er. »Hier weiß man wenigstens, wo man steht.«
»Ja.« Sie nickte. »Das schafft Sicherheit. Aber manchmal hat man zu viel davon. Auch ein Käfigvogel möchte ab und zu seine Flügel ausbreiten.«
»Wollen Sie wissen, was ich hier nicht so schön finde?«
»Ja, was?«, fragte Ming. Dass sie nicht pikiert war, fand Nomuri sehr ermutigend. Er nahm sich vor, einen Steele-Roman zu lesen, um zu erfahren, was sie gern hatte.
»Die Chinesinnen sollten sich anders anziehen. Was sie tragen, steht ihnen nicht. Es macht sie nicht attraktiv. In Japan gibt’s eine große Auswahl an Bekleidung, und man geht mit der Mode.«
Sie kicherte. »Ich wäre schon mit der Unterwäsche zufrieden. Die fühlt sich bestimmt sehr schön an auf der Haut. Aber das ist nicht gerade ein sozialistischer Gedanke«, fügte sie hinzu und setzte ihre Tasse ab. Der Kellner kam, und mit Nomuris Zustimmung bestellte sie sich einen Mao-tai, einen hochprozentigen Schnaps. Der Kellner kehrte wenig später mit zwei kleinen Porzellantässchen und einer Flasche zurück, aus der er geziert einschenkte. Die erste Kostprobe hätte der CIA-Mann vor Schreck fast wieder ausgespuckt, so unerwartet scharf brannte der Fusel in der Kehle. Davon angeregt, zeigte sich, wie er feststellte, ein rosiger Schimmer in Mings Gesicht, und er durfte hoffen, einen großen Schritt weitergekommen zu sein.
»Nicht alles kann sozialistisch sein«, bemerkte er und nippte noch einmal, vorsichtig. »Dieses Restaurant hier wird doch auch privat geführt, nicht wahr?«
»O ja. Und es schmeckt hier sehr viel besser als bei mir zu Hause. Kochen kann ich leider nicht.«
»Dann werden Sie mir vielleicht erlauben, demnächst einmal für Sie zu kochen«, schlug Chet vor.
»Oh?«
»Ja.« Er lächelte. »Ich koche nach amerikanischer Art und könnte in einem der Ausländergeschäfte die richtigen Zutaten besorgen.« Nicht, dass diese Zutaten etwas Besonderes gewesen wären. Sie wurden zwar importiert, sahen aber auch nicht besser aus als das, was auf den hiesigen Märkten einzukaufen war. Doch wahrscheinlich hatte sie noch nie ein Steak-Dinner gegessen. Ob die Auslagen für zwei Beefsteaks aus Kobe dem CIA gegenüber zu verantworten waren?, fragte er sich. Bestimmt. Die Erbsenzähler aus Langley machten den Agenten im Auslandseinsatz kaum Schwierigkeiten.
»Wirklich?«
»Gern. Ein ausländischer Barbar zu sein hat auch seine Vorzüge«, verriet er ihr mit schelmischem Lächeln. Ihr Kichern ist als Reaktion genau richtig, dachte er. Jawohl. Nomuri nahm noch einen kleinen, vorsichtigen Schluck von diesem Raketentreibstoff. Sie hatte ihm soeben erklärt, was sie gern tragen würde. Sehr vernünftig: sich Annehmlichkeiten zu gönnen, ohne aufzufallen.
»Erzählen Sie doch noch ein bisschen von sich«, bat er Ming.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Mein Job ist zwar nicht das, wozu ich ausgebildet worden bin, aber er ist gut angesehen … aus politischen Gründen, versteht sich. Für eine Sekretärin bin ich eigentlich überqualifiziert. Theoretisch ist der Staat mein Arbeitgeber – wie für so viele von uns –, aber tatsächlich arbeite ich für meinen Minister, gerade so, als wäre er ein Kapitalist, der mich für meine Dienste aus seiner Tasche bezahlt.« Sie zuckte mit den Achseln. »Das ist wohl immer so. Wie dem auch sei, ich sehe und höre viele interessante Dinge.«
Davon will ich jetzt nichts wissen , dachte Nomuri. Später, natürlich, aber nicht jetzt.
»Bei mir ist es ähnlich. Betriebsgeheimnisse und so. Ach ...« Er schnaufte. »Das gehört nicht hierher. Nein, erzählen Sie lieber von sich, Ming.«
»Wie gesagt, es gibt nicht viel zu erzählen. Ich bin 24. Ich habe eine gute Ausbildung. Und ich kann mich wohl glücklich schätzen, am Leben zu sein. Sie wissen,
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