Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
herausgeholt habe und dass an beiden Schwarten deutliche Schmauchspuren zu erkennen seien. Die beiden waren aus weniger als einem halben Meter Abstand erschossen worden. Die 2,6 Gramm leichte Kugel stammte laut Auskunft des Pathologen aus einer 5,45-mm-PSM-Polizeipistole. Darüber in Verwunderung zu geraten kam den beiden Beamten gar nicht in den Sinn, da viele dieser Polizeiwaffen in den Untergrund geraten waren.
»Ein kaltblütiger Mord«, bemerkte Jewgeni.
»Professionell ausgeführt«, stimmte Anatoli zu. »Jetzt werden wir erst ...«
»… einmal klären, wer diese armen Teufel sind, und dann, welche Feinde sie hatten.«
Nomuri schmeckte die chinesische Küche in China bei weitem nicht so gut wie in Los Angeles. Wahrscheinlich kommen hier andere Zutaten ins Essen, dachte er. Möglich, dass es in der Volksrepublik so etwas wie ein Amt für Lebensmittelkontrolle gab. Er hatte allerdings im Zuge seiner Vorbereitungen nichts dergleichen zur Kenntnis genommen, und als er nun dieses Restaurant betrat, ging ihm spontan durch den Kopf, dass er die Küche gar nicht erst sehen mochte. Wie die meisten Restaurants in Peking war dies ein kleines Lokal im Parterre eines Wohnhauses, betrieben von einem älteren Ehepaar, das in einer winzigen Kochkabine Essen für maximal 20 Gäste zubereitete. Der Tisch, an dem er Platz nahm, war klein, rund und schäbig und unbequem der Stuhl, auf den er sich setzte, aber allein die Tatsache, dass es dieses Lokal überhaupt gab, war ein Beleg dafür, dass sich in der politischen Führung dieses Landes ein fundamentaler Wandel vollzog.
Wie auch immer, Nomuri hatte an diesem Abend eine Mission zu erfüllen, und die saß ihm gegenüber. Lian Ming. Sie trug den für ihre Stellung obligatorischen Overall in verschossenem Blau. Ihr Haar war kurz geschnitten und wirkte fast wie ein Helm. Die Modeindustrie in dieser Stadt schien von einem rassistischen Miststück pervertiert worden zu sein, das Chinesen hasste und sie deshalb so unvorteilhaft wie nur eben möglich aussehen ließ. Nomuri hatte hier noch keine einzige einheimische Frau gesehen, die attraktiv angezogen gewesen wäre. Alle trugen triste Einheitstracht. Die immer zahlreicher in Erscheinung tretenden Ausländer stachen ins Auge wie Rosen auf einem Schrottplatz, die die Schrottmenge umso scheußlicher aussehen ließen. Zu Hause in den Vereinigten Staaten gab es das ganze Spektrum zu bestaunen, das der Globus zu bieten hatte: weiße, schwarze, jüdische, nichtjüdische, gelbe, lateinamerikanische, echt afrikanische, europäische Menschen aller Couleur: dunkelhaarige, italienisch gediegene, französisch hochnäsige, britisch propere und steife deutsche. Dazu kamen dann noch die Kanadier und die Spanier (die einen großen Bogen um die Latinos machten) und jede Menge Japaner (die ihrerseits Abstand hielten zu den amerikanischen Bürgern japanischer Herkunft, vor allem aber deshalb, weil letztere das so wollten). Ein veritabler Menschenzoo. Vereint waren sie lediglich in der Forderung, hart zu arbeiten, um sich attraktiv präsentieren zu können, denn das war das erste Gebot – zumindest in Kalifornien, der Heimat der Rollschuhfahrer, Surfer und Bodybuilder.
Nicht so hier. Hier war jeder und jede gleich angezogen, alle sahen gleich aus, redeten gleich, verhielten sich gleich …
… mit einer Ausnahme. Und deshalb hatte Nomuri sie zum Essen eingeladen.
Es wurde Verführung genannt und stand seit Menschengedenken im Handbuch eines jeden Spions. Nomuri versuchte sich darin jedoch zum ersten Mal. Nicht, dass er in Japan zölibatär gelebt hätte. Die Sitten hatten sich dort in kürzester Zeit dramatisch verändert, und es war inzwischen jungen Männern und jungen Frauen durchaus erlaubt, miteinander auszugehen und … auf unterschiedlichste Weise zu kommunizieren. Chester Nomuri hatte aber die für ihn sehr bittere Erfahrung machen müssen, dass gerade die freizügigeren japanischen Mädchen auf amerikanische Männer standen, angeblich weil diese im Unterschied zu japanischen Männern für die Liebe besser ausgestattet waren. Dies bot immer wieder Anlass zum Kichern, wenn sich Mädchen, die in sexueller Hinsicht sehr viel aktiver geworden waren, über dieses Thema austauschten. Es hieß auch, dass amerikanische Männer Frauen gegenüber respektvoller seien, wohl vor allem deshalb, weil amerikanische Frauen sich im Unterschied zu ihren japanischen Geschlechtsgenossinnen nicht so viel gefallen ließen. Chet Nomuri aber hatte als
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