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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gesagt, um das Bärenhaus im Londoner Zoo. Alles andere mündlich. Viel Liebe, Dad. Mom, Lucille und Percy lassen vielmals grüßen.«
    Nanu, was soll ich denn mit dem Bären zu tun haben? fragte sich Jim.
    Heimlich fand er den ganzen Kult um den Bären reichlich albern. Andererseits rührte es ihn jedoch, seinen sonst so knorrigen Vater so sentimental und anhänglich zu erleben.
    Wir werden ja sehen, was für einen Bären der Oberst meinem Dad da aufgebunden hat. Hauptsache, Mabel hat ihrem Dad keinen Bären aufgebunden!
    Drei Tage später rollte die keuchende Landeisenbahn mit Jim nach Port Hope am Ontario-See. Weit dehnten sich die Weizenfelder am Ufer des Sees. Abgetrennt durch tief in die Erde gerammte Pfähle, mit Stacheldrahtgeflechten gesichert und ausbruchssicher gemacht wie das Zuchthaus San Quentin, lag mitten in Schilf und Ried William Rockwells Biberzucht.
    Und dort, am Rande eines künstlich gegrabenen Baches, träumte zwischen Büschen und Blumen Jims Elternhaus. Ein Stück entfernt lagen die Häuschen der Farmarbeiter, denn William Rockwells Besitz hatte sich vergrößert und erweitert. Rotamseln und Spatzen tschilpten in den hohen Bäumen.
    Es war ein kleines Paradies, diese ›Farm Kitchener‹, wie sie seit einigen Jahren hieß.
    William Rockwell war ein wohlhabender Mann geworden. Das Glück war mit ihm. Und tüchtig war er auch. William war stolz auf seine Leistung und erst recht auf seine Familie. Sogar mit den musischen Neigungen seines Ältesten hatte er sich ausgesöhnt, sah er doch, daß in ›besseren‹ Kreisen wie dem seines Obersten so ein Studium an der Kunsthochschule viel galt. Warum sollte er sich also nicht einen Künstler in der Familie leisten?
    William aß gern, und Jenny kochte gut. Sein Körperumfang hatte sich sichtlich erweitert. Seine Stimme hatte an Kraft zugelegt. Wer ihn nicht genau kannte, mochte glauben, er habe es mit einem Polterer und Machtmenschen zu tun.
    Aber Jenny, deren Taille immer noch schmal wie die eines jungen Mädchens war, kannte ihren William besser. Man brauchte doch nur in seine hellen Augen zu schauen, die nichts verbergen konnten, die sich bei Ärger trübten wie der See, wenn ein Gewitter aufzog, und bei Freude leuchteten wie Wasser im Sonnenschein. Dann wußte man, was für einer William Rockwell war: ein richtiger Mann. Mutig, eigensinnig und empfindsam. Letzteres sollte natürlich niemand merken.
    William kam gerade von einer Inspektion seiner Biberzucht, als Jim eintraf. Er trug einen Overall und Gummistiefel. Neben ihm stapfte der kleine Percy in ähnlicher Aufmachung, nur daß seine Stiefel bis obenhin voller Dreck waren.
    Jenny drückte ihren großen Sohn an sich. Sie reichte gerade bis an seine Brust, und er mußte sich zu ihr hinunterbeugen, um ihr einen Begrüßungskuß zu geben. »Mom, wie machst du das bloß mit deinem Aussehen? Hast du dir vielleicht von einer Fee ewige Jugend gewünscht?« scherzte er und war sehr gerührt.
    Sein Vater und er umarmten einander verlegen.
    »Wir sehen aus wie die Schweine. Richtige Landbevölkerung, nicht wahr?« fragte William. Und zu Percy sagte er: »Was soll dein großer Bruder von dir denken?«
    »Wo ist Lucille?«
    »In der Schule. In Toronto. Sie lebt dort über die Woche im Internat. Haben wir dir das nicht geschrieben?«
    »Ich glaube nicht.« Wie fremd das Elternhaus geworden war. Und doch, wie vertraut war es andererseits. Wie heimelig. »Du wolltest etwas mit mir besprechen, Dad?«
    Jenny protestierte. »Papperlapapp. Erst wird ordentlich gegessen! Ich habe Sparerips gemacht mit gebackenen Kartoffeln. Und hinterher gibt es Eis mit Ahornsirup. Na, Jim, ist das nach deinem Geschmack?«
    »O Mom, meine Lieblingsgerichte!«
    Später – William hatte sich eine Pfeife angezündet, und die beiden Männer saßen auf der Veranda, während Jenny sich um den Abwasch kümmerte und Percy vorgab, ihr beim Abtrocknen zu helfen – erklärte William die Lage. »Es geht um Kitchener. Er lebt, und es geht ihm gut. Eigentlich geht es wohl weniger um ihn als um mich. Irgendwie ist mein Leben mit seinem verknüpft. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, Jim? Aber ich habe doch sozusagen Vaterstelle an Kitchener vertreten. Und dann hab' ich mich nie wieder um ihn gekümmert. Nicht richtig. Lasse ihn da in London bei fremden, verständnislosen Menschen. Was wissen die denn, wieviel er uns allen bedeutet hat! Ein Symbol fürs Überleben war er. Ja, ich bin ein miserabler Freund für ihn gewesen. Ein herzloser

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