Im Zeichen des großen Bären
einmal ihre kunstvollen Pyramiden aus acht Männern. Und auf dem Festgelände wurden Vorkehrungen für die große Tombola getroffen. Sogar zwei Karussellbesitzer hatten sich mit ihren Vergnügungsapparaten eingefunden. Mit einem Wort: Es tat sich etwas in Toronto. Die Luft vibrierte förmlich von geballter Nervosität. Ein kleines falsches Wort konnte eine Explosion auslösen.
Dann war er da, der 11. November 1928. Vor zehn Jahren war im Wald von Compiègne der Waffenstillstand unterzeichnet worden, und die Welt hatte für ein paar Minuten dankbar den Atem angehalten. Nach vier Jahren der Bitterkeit flossen die Tränen der Erleichterung. Auch die Tränen tiefer Trauer um die Lieben, die nie wiederkehren würden. Es war der Tag gewesen, an dem zum großen Halt geblasen wurde, an dem die Menschen in den Kirchen in die Knie gebrochen waren, um dem Herrn für die Gnade zu danken, daß Frieden war.
Nun war diese Stunde schon zehn Jahre her. Das Leben war weitergegangen. Man erinnerte sich an den Krieg, gewiß. Aber man dachte daran wie an ein fernes Ereignis, an ein Abenteuer der Jugend. Nur die Verwundeten, die Krüppel und die Einsamen vergaßen nie. Sie feierten diesen Tag nicht. Sie litten still in ihren Stuben. Vergessen ist wohltuend, aber auch grausam. Die Welt hatte vergessen. Vierundzwanzig Stunden lang wurden die Flaggen gehißt, wurde gefeiert und darüber hinweggeplaudert, daß nicht alles so war, wie es hätte sein sollen. Es gab Folgen, die von der Weichenstellung im Wald von Compiègne herrührten, und es gab bedenkliche Entwicklungen. Die Stahltrusts schrieben Aktien zu 25½ Prozent aus, Kupfer fiel, und Salpeter und Blei stiegen. Die Wirtschaft blühte gefährlich. Die Börse war nun das Schlachtfeld, auf dem gewonnen oder verloren und auch gestorben wurde.
1918, zehn Jahre war das nun her. Mein Gott, man hatte Fahnen herausgesteckt und sich fein angeputzt, man feierte doch, man gedachte der Soldaten. War das nicht genug? Das Leben ging schließlich weiter.
Nein, so waren die Männer des 159. Infanterieregiments von Ontario nicht! Viele von ihnen waren dabei gewesen, hatten in vorderster Linie die Handgranaten entschärft und den Kopf eingezogen. Hatten Kameraden an ihrer Seite sterben sehen. Konnten nicht vergessen, was nachts über sie gekommen war. Tagsüber vielleicht. Aber nicht in schlaflosen Nachtstunden. Nein, für diese Männer und auch für die jungen, denen sie ihre Erinnerung weitergereicht hatten, war dies ein feierlicher Tag. Ein heiliger Tag.
Natürlich zeigte man es möglichst nicht. Nein, man mischte kräftig mit und trank und war, nachdem der Aufmarsch und die Flaggenparade vorüber waren, besonders laut und lustig. Da machte auch Oberst Powell keine Ausnahme. Er hatte eigens einige Aspirin genommen, damit ihn die Gicht wenigstens heute nicht so plagte, und stolzierte gereckt über das Festgelände.
Es war ein voll gelungenes Fest. Selbstverständlich! Wenn man alles planmäßig und maßstabgerecht vorbereitete, konnte es für erfahrene Soldaten wohl kaum eine Panne geben.
William Rockwell betreute die Spendenliste. Natürlich hatte Arthur Shenessy wieder eine beachtliche Summe gespendet. Er wurde bei dieser Gelegenheit immer zuerst angesprochen, denn sein Einsatz erhöhte auch die Scherflein der übrigen Spender. Und für ihn war es ein Bedürfnis, hatte nach seiner Meinung doch der Bär Kitchener grobe Ablehnung mit Lebensrettung vergolten. Was konnte ein armer Mensch weiter tun, um seine Dankbarkeit zu beweisen, als kräftig ins Portemonnaie zu greifen?
William und Shenessy schüttelten sich die Hände. Es war stets ein aufwühlendes Ereignis, wenn alte Kameraden sich begegneten. Er sieht aber alt aus, dachte William. Und Arthur fand, der Rockwell wirke mächtig elend. Doch nach einer Weile war die erste Fremdheit überwunden. Man wußte zwar wenig miteinander anzufangen. Die Interessen lagen zu weit voneinander entfernt. William war ein Landmensch, Arthur ein Stadtmensch. Trotzdem war da die Kette der gemeinsamen Erlebnisse, der zusammen überstandenen Todesängste, und sie war fester als Eisen und haltbar fürs Leben.
»Mein Sohn Jim ist in Europa. Er hat dem Londoner Zoo einen Scheck überbracht. Eigentlich hätte ich längst Post bekommen müssen«, sagte William, »aber man weiß ja, wie junge Leute heutzutage sind. Es fehlt ihnen die harte Schule, die wir durchmachen mußten.«
»Ich wünsche sie niemandem«, erwiderte Arthur Shenessy.
»So hatte ich's auch nicht
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