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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinüber zu den Bären. Eine Bärin schien es ihr besonders angetan zu haben. Das Mädchen legte den Kopf zurück und schloß die Augen. Sie kniff sie zusammen, als wolle sie Tränen zurückhalten. Wirklich wischte sie mit der Hand über das Gesicht.
    Jim trat, ohne zu überlegen, mit einem Schritt zu ihr. »Ist Ihnen nicht gut, Alice?« fragte er.
    Sie erschrak, und als sie ihn erkannte, färbte sich ihr Gesicht blutrot. Sie machte eine heftige Bewegung, als wolle sie davonstürzen.
    Also hat sie mich erkannt, dachte Jim, das ist immerhin etwas. »Wir sind hier nicht allein. Sie brauchen keine Angst zu haben. Außerdem werde ich mich tadellos benehmen. Und ich bitte Sie vor allem um Entschuldigung für neulich. Ein unverzeihliches Benehmen. Glauben Sie mir bitte, es war ganz impulsiv, ist sonst nicht meine Art«, sprudelte er hervor.
    »Danke, es geht mir gut«, murmelte sie, und er hatte wieder das Bedürfnis, sie in die Arme zu reißen und auf den vollen Mund zu küssen. Ja, alle Fanfaren bliesen zum Angriff. Doch er hielt seinen Hut in der Hand und verbeugte sich leicht. »Jim Rockwell«, sagte er.
    »Das sagten Sie schon«, erwiderte sie.
    »Und Sie sind Alice im Wunderland.«
    »Ich bin Alice Kellenhusen.«
    »Eine Deutsche?«
    »Ja, mit einem Viertel England gemischt.«
    Nun, sehr redselig war sie nicht.
    »Sie mögen Bären, nicht wahr?«
    »Ja. Es gibt eine Kindheitserinnerung, die mit Bären zu tun hat. Mit einer Bärin.«
    »Das ist phantastisch! Ja, in der Tat! Denn auch ich habe eine lebhafte Kindheitserinnerung, die mit einem ganz bestimmten Bären zu tun hat. Mit diesem hier.«
    Wie süß sie aussah, wenn sie so ungläubig dreinschaute.
    Natürlich dachte sie, er suche nur ein Thema zum Anbändeln. »Mit dem Riesen dort?«
    »Ja. Er heißt Kitchener. Mein Vater kennt ihn gut.«
    Na, das klang wirklich nicht sehr überzeugend. Sie zog bereits die Augenbrauen hoch. Dachte wohl, er wolle sie verulken. Die Dame kam zurück und musterte Jim anerkennend.
    »Kennst du den Herrn, Alice?« fragte Bettie Neary mit ihrer durchdringenden Stimme.
    Alice machte einen furchtbaren Fehler. Sie hob die kleine Nase hoch und sagte: »Ganz flüchtig. Auf Wiedersehen.« Dann nahm sie den Arm ihrer Großtante und rauschte weiter.
    Jim machte eine Bewegung, ihnen nachzugehen. Da ergriff eine der beiden Preisboxergestalten, die sich offenbar bei einem Zoobummel von hartem Training entspannten, seinen Arm. »Haben Sie vielleicht Feuer?« fragte er. Es klang, als drohe er: Belästigen Sie bloß die Damen nicht. Sonst könnte es für Sie unangenehm werden.
    Jim zuckte die Schultern. »Gehen Sie doch zur Hölle«, sagte er laut. Die beiden Muskelpakete lachten herzlich. Wenn sie denkt, daß ich dauernd wie ein Schwachsinniger hinter ihr hergaloppiere, hat sie sich geschnitten. Ich kann Mädchen in Hülle und Fülle haben, dachte Jim. Außerdem ist sie ziemlich einsilbig. Oder ob sie nicht besonders fließend Englisch spricht? Doch, daran hat's bestimmt nicht gelegen. Weißt du was, Jim, alter Junge? Sie mag dich einfach nicht. Ja, die Schlappe mußt du jetzt mal männlich wegstecken. Die Porzellandame mit den feurigen Kohleaugen bleibt bei dir eiskalt. Ende.
    Am nächsten Vormittag jedoch war Jim sich darüber klar, daß er sich wie ein kompletter Trottel benommen hatte. Wie konnte er dieses bezaubernde Mädchen nur kampflos ziehen lassen?!
    Es war noch immer schön und mild. Am Himmel brauten sich Kumuluswolken zusammen, die weiß und dick über den tiefblauen Himmel schwammen. Einige hatten graue Säume angesetzt. Ein Herbstgewitter lag in der Luft, und winzige Fliegen stürzten sich auf Mensch und Tier und erfüllten ihr kurzes Leben.
    Jim nahm einen Regenmantel über den Arm, setzte seinen Panamahut auf und startete. Wenn es ihr leid tat – und es konnte doch immerhin möglich sein –, dann würde sie in den Zoo kommen. Zu den Bären, denn auch sie war ja auf irgendeine Weise besonders mit ihnen verbunden.
    Jim trat erwartungsvoll vor das Freigehege. Sein Herz klopfte. Er war fast sicher, daß sie dort stehen würde. Doch außer einer Schulklasse, die laut und lustig vorbeizog, war niemand da. Kein wunderschönes Mädchen mit zierlicher Taille und einem hinreißenden Madonnengesicht. Kitchener war überhaupt nicht zu erblicken. Er hatte sich in seiner Höhle zusammengerollt und schlief.
    Jim war enttäuscht. Er schalt sich unmännlich und töricht, doch er konnte nichts dagegen tun. Der Tag war ihm rundum verdorben.
    Etwa

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