Im Zeichen des Highlanders
zustieß.
»Genug Zeit für was?«
»Um dir zu zeigen, dass größer nicht immer besser bedeutet«, gab er zur Antwort.
Kirstie öffnete den Mund, um ihm zu befehlen, mit diesem Unsinn aufzuhören, erkannte aber, was er im Sinn hatte, und schloss ihn schnell wieder. Und wenn sie noch so ehrlich war, sie konnte sich keine angenehmere Art vorstellen, eine Stunde zu verbringen, als Payton Murray den Versuch zu erlauben, sie davon zu überzeugen, dass sie begehrenswerter war als die so gut ausgestattete Lady Fraser.
13
Es fiel ihr nicht leicht, doch Kirstie verbarg ihr Entsetzen angesichts des blutüberströmten, mit Blutergüssen übersäten kleinen Jungen, den Callum zu ihr brachte. Sie hatte sich in Paytons Schreibgemach zurückgezogen, um einen Brief an ihre Familie aufzusetzen. Er sollte genug erzählen, um sie in dem Glauben zu wiegen, dass sie in Sicherheit sei, und doch nicht §§so viel, dass sie alarmiert oder in Wut versetzt wurde. Dieses Problem schien allerdings ziemlich bedeutungslos angesichts des Problems, dem sie sich im Augenblick gegenübersah.
Sie setzte den Jungen ab und versorgte – unterstützt von Callum, der ihr die wichtigsten Dinge holte – die Verletzungen so gut, wie es bei ihrem dürftigen Wissen möglich war. Dabei wünschte sie sich innig, Klein-Alice wäre zu Hause. Der arme Simon schien nicht mehr mit dem Zittern aufhören zu können, auch dann nicht, nachdem sie ihm mit Wasser verdünnten Wein und Honigkuchen gereicht hatte. So, wie er die Kuchen verschlang, hatte er großen Hunger erlitten, was sie sowohl traurig als auch wütend machte. Dem Aussehen der Darrochs nach zu urteilen, die eigentlich für Kinder wie Simon sorgen sollten, sättigte dieses Pärchen regelmäßig seinen eigenen gesunden Appetit. Kirstie tat, als würde sie nicht bemerken, dass sich Simon zwei Kuchen in die Tasche seines zerlumpten Mantels schob.
»Geht es dir jetzt besser, Simon?« Sie stellte die Frage, obwohl der Junge sich noch immer betrug, als hätte er entsetzliche Angst.
»Ja«, antwortete er und trank schnell noch einen Schluck Wein. »Ich habeherkommen müssen .«
»Natürlich hast du das«, murmelte sie mit besänftigender Stimme, obwohl es ihr seltsam schien, das zu sagen.
Kirstie wünschte sich, dass außer ihr und Callum noch jemand zu Hause gewesen wäre. Es war eigenartig, allein zu sein. Seit Roderick vor einer Woche in der Tür gestanden hatte, hatte man sie und die Kinder so streng bewacht, dass es schon unangenehm war. Heute aber war ein warmer und sonniger Tag, weshalb Klein-Alice Ian davon überzeugt hatte, dass die Kinder ins Freie mussten. Besonnen, wie sie waren, trugen sie Umhänge und Kappen, und Kirstie hatte den Eindruck, dass es sicher genug sein müsste, um mit den fünf jüngsten Kindern in den Wäldern Kräuter und Beeren zu sammeln. Callum war eingeladen worden mitzukommen, doch er erklärte sich für diesen Tag zu Kirsties Wache. Ian hatte eine der drei Wachen mitgenommen, die Payton vor dem Haus postiert hatte, während Payton bei Hof war und versuchte, die vergifteten Auswirkungen von Rodericks Kampagne abzuschwächen. Somit waren draußen zwei Wachen übrig, und Kirstie schimpfte sich einen nervösen Feigling, weil sie plötzlich den Eindruck hatte, dass das nicht genug sei.
Während sie langsam aufstand, fragte sie sich, warum nicht die Wachen Simon zu ihr gebracht hatten. Es war möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, dass Simon ungesehen zum Hintereingang gelangt war. Kirstie gefiel es nicht, Argwohn gegen ein Kind zu hegen. Andererseits, welch besseren Weg gab es, um ihre Aufmerksamkeit von allem, was nicht in Ordnung war, abzulenken, als ihr ein übel zugerichtetes Kind zu schicken, das versorgt werden musste? War sie nicht an Ort und Stelle geblieben, ohne Fragen zu stellen, ohne nachzusehen?
»Callum, hast du Donald gesehen, als du Simon die Tür geöffnet hast?«
»Nein.« Callum runzelte die Stirn. »Er sollte hinten sein, oder?«
»Ja.« Sie sah, wie blass Simon war. Das war gewiss nicht allein auf die Schmerzen, die er empfand, zurückzuführen. »Und Malkie?«
Callum starrte Simon finster an. »Nein, ihn auch nicht.«
Kirstie sah zu Simon, der zu weinen anfing. »Oh, Simon, mein armer Junge, was hast du gemacht?«
»Er hat mir geholfen, das zurückzubekommen, was mir gehört.«
Ein Frösteln, das so stark war, dass sie erbebte, durchfuhr Kirstie, als sie sich umdrehte, um den Mann anzusehen, der in der Tür stand. Roderick hatte sich nicht
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