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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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von hundert Kriegern bestand ausschließlich aus Leuten von Yamatai. Viele von ihnen hatten meiner Mutter als Leibwächter gedient. Alle Banner und Standarten an den Lanzen trugen die Wappen unseres Königshauses. Eine Anzahl Diener und mit Gepäck beladene Pferde bildeten den Schluss des Zuges.
    Ich ritt Shiro-Uma, meine schöne weiße Stute, deren Mähne mit Silber- und Hornamuletten durchflochten war. Nach Männerart trug ich weite dunkelblaue Hosen, die unter den Knien mit Bändern umwickelt waren, und ein bunt besticktes Lederwams. Der lange Gazeschleier, der an meinem Strohhut befestigt war, schützte mein Gesicht vor den grellen Sonnenstrahlen. Maki ritt hinter mir auf einem sanften Pferd, das ich ihr geschenkt hatte.
    Es war eigentlich ein kurzer Weg: Schon bei Vollmond würden wir in Izumo eintreffen. Doch für mich war es eine Reise ans andere Ende der Welt, eine Rückkehr in jene dunklen Gefilde der Vergangenheit, deren Schatten mich noch immer verfolgten …
    Wir waren auf unangenehme Zwischenfälle gefasst, doch die Reise verlief ruhig. Kuchiko ließ jeden Morgen einen Kundschafter vorausreiten. Nachts, wenn ich auf einer Satteldecke unter den Sternen schlief, umstanden die wachsamen, schwer bewaffneten Männer wie ein eherner Wall mein Lager.
    Wild und schön ist mir die Gegend in Erinnerung geblieben: über uns ein hoher, klarer Himmel; in der Ferne Berge, lila wie Saphirkuppen; schwarze Pinien und Bambushaine. Am Morgen des vierten Reisetages erblickten wir von einem Gipfel aus die Küste. Die Pinien zeichneten sich hoch aufragend oder gebeugt am Himmel ab. Zwischen den Bäumen und dem Meeresufer schien sich der Strand endlos hinzuziehen. Gischt sprühte auf, wo sich die Brandung an den schwarzen Felsen brach, und weiter draußen dehnte sich das smaragdgrüne Meer.
    Wir kamen durch Dörfer, deren Häuser auf Holzpfählen standen. Die strohbedeckten Dächer hatten eigentümliche, nach oben geschwungene Formen. Als die Bewohner unsere Wappen erkannten, warfen sie sich auf die Knie und berührten mit der Stirn den Boden. Ihr Gruß war ehrerbietig, aber nicht unterwürfig; sie lachten und winkten und die Frauen riefen den Kriegern Scherzworte zu. Die Leute hier waren groß und kräftig und hatten eine goldene Hautfarbe. Die Frauen waren auffallend hübsch, mit roten Wangen und fröhlichen Augen. Männer und Frauen trugen die gleichen kurzen, meist dunkelblauen Kleider, die um die Hüften von bunt bestickten Schärpen gehalten wurden. Die jüngeren Frauen ließen ihr offenes Haar im Wind wehen, die älteren hatten weiße oder gemusterte Tücher um die Stirn gebunden.
    Koyane hatte mich über manches vor meiner Abreise unterrichtet. Mir kamen seine Schilderungen wieder in den Sinn. »Izumo hat sich zum mächtigsten Reich der östlichen Inselgruppe entwickelt. Der König sagte mir, dass das Land seinen Wohlstand nicht nur den Erz- und Eisenminen verdanke, sondern vor allem der Landwirtschaft. Er führte mich zu den Bauern und zeigte mir, wie die Reisfelder durch ein Netz künstlicher Kanäle unter Wasser gesetzt werden, sodass jedes Jahr eine ausreichende Ernte gesichert ist.«
    Staunend hörte ich zu, als er von der Festung sprach, die Susanoo auf einem Hochmoor am Strand von Suga hatte errichten lassen.
    Â»Auf drei Seiten kann man das Meer sehen und in jedem Raum hört man die Wellen wie den Widerhall in einer Muschel rauschen. Die Dächer der Festung sind geschweift wie der Bug eines Schiffes. Im Winter werden die Zimmer geheizt, indem man heißes Wasser durch Röhren leitet, die unter dem Fußboden verlaufen. Eine höchst bemerkenswerte Erfindung«, hatte Koyane kopfschüttelnd hinzugefügt.
    Ich hatte lange gezögert, ihm die Frage, die mir auf dem Herzen lag, zu stellen. »Und er … hat er sich sehr verändert?«
    Koyane hatte nachdenklich seinen Fächer bewegt. »Er ist ein weiser Mann … weiser, als wir alle es jemals für möglich gehalten hätten …«
    Diese Worte hallten in meinem Gedächtnis wider, als wir durch den Wald der Küste entgegenritten. Die grünen Schatten der Pinien glitten über uns hinweg. Hier und da schimmerte das Meer durch die Zweige. Die Stille im Wald war bedrückender als die Hitze; um diese Zeit hörte man nicht einmal das Summen der Insekten. Die Pferde schwitzten unter ihrem Harnisch, ihre Nüstern

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