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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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stand er in der Helligkeit, einer schwarzen Säule gleich. Ich spürte, wie die Knie unter mir nachgaben. Mir war, als ob mein Geist sich aus meinem Körper befreite: Ich schwebte immer weiter, immer höher, Angst und Schmerz waren wie weggewischt: Ich fühlte eine Art Triumph, der meine Schritte mit neuer Kraft beflügelte. Und dann stand ich vor ihm und sah sein Gesicht, unbeweglich und golden, mit Augen, die wie dunkler Karneol glühten. Die Zeit hatte das Blau der Tätowierungen, die Stirn, Kinn und Wangen bedeckten, verblassen lassen. Und genau wie einst schimmerte sein Haar auf den Schuppen seiner Bronzerüstung, fiel in ungestümer, dunkel glänzender Fülle bis zu seinen Hüften herab. Er war unbewaffnet. Doch hinter ihm, zwischen den roten Pfosten, stand stumm und wachsam eine Reihe von Kriegern. Sie hielten die rechte Hand am Griff der halb gezogenen Schwerter.
    Ich senkte den Kopf; verneigte mich stumm. Ich spürte ihn vor mir, so unendlich vertraut und doch so unglaublich fremd. Mir war, als würde ich von einem heißen Wind angeweht, und ich starrte zu Boden. Dann vernahm ich ein unerwartetes Geräusch, und als ich den Kopf hob, sah ich, dass er lachte. Es war das leise, spöttische Lachen, das ich so gut kannte.
    Â»Seid willkommen, Majestät, in Izumo. Es ist lange her, dass unsere Wege sich kreuzten …«
    Das Licht vor meinen Augen klärte sich. Ich konnte sprechen und erwiderte: »Das Schicksal hat es so bestimmt, dass wir uns wieder begegnen …«
    Â»Das Schicksal?« Er lächelte ironisch. »Oder Seine Allerhöchste Majestät?«
    Röte überflog mein Gesicht. Ihm konnte ich nichts vortäuschen. Doch ich spürte, dass er genauso aufgewühlt war wie ich.
    Er verneigte sich höflich und sprach: »Gestattet mir zuerst, Euch meine Gastfreundschaft anzubieten. Nachher werden wir reden …«
    Er gab ein Zeichen. Eine junge Frau mit einem blauen Tuch um den Kopf löste sich aus der gaffenden Schar der Diener. Sie verneigte sich vor mir und geleitete mich in den Palast. Durch Säulengänge, die mit Schilfmatten ausgelegt waren, führte sie mich in einen Raum, der durch Schiebetüren in verschiedene kleine Zimmer aufgeteilt war. Die Decke war aus matt poliertem Holz, und in einer Wandnische stand eine Tonvase, die mit goldgelben Dahlien gefüllt war. Die Frau brachte mir Tee, verschiedene gekochte Gemüse und heiße Tücher, um Gesicht und Hände zu erfrischen. Maki hatte zwei Diener beauftragt, die Truhe, die meine Kleider enthielt, hierherzubringen. Sie schnürte mir Harnisch und Beinschützer ab und half mir, mich meiner Männerkleidung zu entledigen. Ich wählte ein Gewand aus kühler violetter Seide. Untergewand und Schärpe waren grün. Sorgfältig puderte ich mein Gesicht und schminkte mir die Lider zinnoberrot. Dann ließ ich mich auf ein Kissen nieder, die Hände im Schoß verschränkt, und wartete. In seltsam gelöster Ruhe lauschte ich dem Rauschen des Meeres, das wie ein Echo durch die hellen, friedlichen Räume klang.
    Die Sonne stand schon hoch, als ein Diener erschien. Er führte mich durch Säulengänge zu einer Treppe, auf der ich zur Ostterrasse gelangte. Der Diener kniete nieder und öffnete eine Schiebetür. Ich trat in einen großen Raum, der mit weichen, schwarz geränderten Matten ausgelegt war. Das Sonnenlicht fiel verschwenderisch durch die rot und blau bemalten Pfosten und die mächtigen Deckenbalken schimmerten wie Bernstein. Kostbare Hölzer, die in kleinen Kohlebecken glühten, verbreiteten ihren Duft. In schön geformten Vasen standen Kiefern- und Bambuszweige.
    Susanoo saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem Kissen. Er hatte seine Rüstung abgelegt; seine Kleider und sein Umhang waren aus schwarzblauem Leinen. Bergkristalle verzierten seinen breiten ledernen Gürtel. Es saßen einige Männer, vermutlich Wachoffiziere, in seiner Nähe. Ihre Schwerter ruhten auf ihren Knien. Sie verneigten sich und ich erwiderte ihren Gruß. Eine Handbewegung des Königs entließ sie. Der Diener schloss die Schiebetüren. Wir waren allein.
    Stumm kniete ich dem Herrscher von Izumo gegenüber. Vor ihm, auf weißem Sand, lagen brennende, sorgfältig aufgeschichtete Holzkohlestücke. In einem gusseisernen Kessel auf einem kleinen Dreifuß dampfte Wasser. Ich horchte auf das leise Zischen der Glut, das Summen des

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