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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Göttin«, zischte Iri. »Er ist mein erklärter Feind und nicht mein Verbündeter. Er hat meine Ehre verletzt und mich um meine legitime Rache gebracht …«
    Ich ließ seinen Zorn über mich ergehen. Vielleicht würde er zur Vernunft kommen. Doch ich kannte seine Eitelkeit. Nichts machte ihn stolzer als Zeichen der Verehrung und bewundernde Blicke.
    Scheinbar gelassen erwiderte ich: »Meine Aufgabe bestand darin, Euch die Botschaft des Orakels zu übermitteln, nicht aber, Euch einen Rat zu erteilen. Die Entscheidung liegt in Eurem Ermessen.«
    Ich verbeugte mich, zum Zeichen, dass ich nichts mehr hinzuzufügen hatte. Iris Zorn schien mit einem Mal wie verflogen. Sein Blick war nachdenklich geradeaus gerichtet, wie jemand, der überlegt, wie er aus einer unangenehmen Lage Nutzen ziehen könnte. Eine seltsame Lähmung bemächtigte sich meiner Gedanken, als ich sah, wie das lauernde Wolfsgrinsen auf seinen dünnen Lippen erschien.
    Â»Da der Herrscher von Izumo mich bis heute noch nicht als seinen Lehnsfürsten anerkannt hat, wäre es an der Zeit, ihn an seine Vasallenpflicht zu erinnern.«
    Langsam sog ich die Luft ein, doch mein Gesicht blieb heiter und ruhig. Iri verneigte sich förmlich und ich erwiderte seine Verbeugung. Ich sah ihm nach, wie er sich mit seiner Leibgarde zurückzog, und dachte: Was soll aus mir werden?
    Â 
    Der Botschafter, den Iri nach Izumo entsandte, war mein Vetter Koyane. Er war ein ruhiger, besonnener Mann, der jedem Streit aus dem Weg ging. Ich hatte dem König zu dieser Wahl geraten, denn ich wusste, dass Susanoo Koyane mit Rücksicht behandeln würde.
    Der Weg zur Küste von Izumo führte durch dichte Wälder und abgelegene Täler. Koyane machte sich mit einer Begleitmannschaft von fünfzig Kriegern, die ihn vor Überfällen schützen sollten, auf den Weg. Er gab dem König die Zusicherung, noch vor Neumond wieder ins Lager zurückzukehren.
    Jetzt da das Schicksal nicht mehr aufzuhalten war, erlaubte ich mir des Öfteren, an Susanoo zu denken. In den vergangenen Jahren waren nur spärliche Nachrichten aus Izumo eingetroffen. Man erzählte sich jedoch Seltsames. Es hieß, die Göttin habe ihm Gewalt über die Schätze der Erde geschenkt, nachdem er das Land Torikami von einem Ungeheuer, das es verwüstete, befreit hatte. Das Ungeheuer sollte acht Köpfe und acht Schwänze gehabt haben, es sollte so lang gewesen sein wie acht Hügel und acht Täler. Susanoo hatte das Ungeheuer mit Reiswein betäubt und ihm dann den Bauch aufgeschlitzt. Weiter hieß es, er habe in der Provinz Suga einen Palast erbaut, der über den Wolken schwebe und dessen Räume selbst im kältesten Winter die wohltuende Wärme des Sommers bewahrten. Auf den Reisfeldern würde das Wasser gegen die natürliche Strömung fließen und nie versiegen, sodass die Ernte nicht mehr von Dürre bedroht oder von Regen abhängig war. So erzählten die Leute. Ich jedoch wusste, dass es verschiedene Wahrheiten gab. Es mussten in Izumo Dinge geschehen sein, die über das Verständnis der Menschen hinausgingen.
    Noch war es Sommer; die Pinienzweige schaukelten vor dem blauen Himmel, und das Farnkraut war grün, doch abends wehte der Wind kühl. Es war bereits zunehmender Mond, als ich eines Abends im königlichen Zelt saß und mit Iri Reiswein trank. Zu vorgerückter Stunde wurden die Rufe der Wachen laut. Hufstampfen und Klirren von Zaumzeug waren zu vernehmen. Mein Herz begann, wild zu hämmern. Ich stellte behutsam das Keramikschälchen auf die Matte zurück und verbarg meine zitternden Hände in den Ärmeln meines Gewandes. Das Stimmengewirr näherte sich dem Zelt. Ein Hauptmann meldete, dass Koyane und seine Begleitmannschaft soeben aus Izumo eingetroffen seien.
    Â»Bittet Koyane zu uns ins Zelt«, befahl Iri.
    Er setzte sein Reisweinschälchen an die Lippen und leerte es in einem Zug. Er schaute zu mir herüber, doch ich sah zu Boden. Schatten bewegten sich vor dem Zelteingang: Koyane trat ein und verbeugte sich. Seine Kleider waren verschwitzt und staubbedeckt.
    Wir erwiderten seinen Gruß. Koyane richtete sich auf, und ich sah sein Gesicht, das vor Erschöpfung wie dunkles Holz glänzte. Er nahm mit einer Verbeugung den Reiswein entgegen, den ich ihm einschenkte. Als er das Schälchen geleert hatte, ließ er sich auf seine Fersen nieder und sprach:
    Â»So

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