Im Zeichen des himmlischen Baeren
Wassers. Dann öffnete Susanoo eine kleine Teedose aus Steingut, häufte die richtige Menge grünen Tee auf einen Bambuslöffel und verteilte ihn in zwei kleine Schälchen. Er goss kochendes Wasser auf die Blätter und rührte mit einem winzigen Bambusstab um. Dann fügte er einige Tropfen kaltes Wasser hinzu, verneigte sich und reichte mir die Schale.
Unsere Augen trafen sich. Ich beugte mich vor, um die Schale in Empfang zu nehmen, und spürte, wie meine Hände zitterten. Vorsichtig nippte ich an dem grünen Getränk, hielt inne, wie es die Höflichkeit vorschrieb. Dann leerte ich das Schälchen, während er immer noch schweigend den Tee für sich selbst bereitete. Ich war ihm dankbar für diese rituelle Handlung. Wir benötigten einen Augenblick der Besinnung, um Frieden in uns einkehren zu lassen. Einst waren unsere Seelen so gewaltsam auseinandergerissen worden, dass sie Zeit bedurften, um sich behutsam wieder zu nähern.
Sorgfältig reinigte er die Schalen und trocknete sie mit einem weiÃen Leinentuch. Ich saà bewegungslos, die Hände auf den Knien. Meine Gedanken waren klar wie selten zuvor. Dann spürte ich seinen Blick, fühlte, wie auch er langsam in die Wirklichkeit zurückfand.
»Du hast dein Haar der Göttin geweiht?«, fragte er.
»Ja â¦Â«
Wieder schwieg er eine Weile, dann sagte er: »Wie kommt es, dass mein Dasein mir nie etwas bedeutete, wenn ich nicht über alles und alle anderen den Sieg davontrug? Heute weià ich, dass der gröÃte Sieg der ist, den der Mensch über sich selbst erringt.«
»Es ist kein leichter Sieg«, sagte ich leise.
Er nickte und lieà den Blick auf den verglimmenden Kohlen ruhen. »Als ich Amôda verlieÃ, wünschte ich mir den Tod. Nicht weil ich den Krieg verloren hatte, sondern weil es für mich nichts mehr zu verlieren gab. Doch du hattest mir den Auftrag erteilt, mich nach Izumo zu begeben, und es war meine Pflicht zu gehorchen. Ich wählte den Seeweg. Tagsüber hielt ich mich verborgen und verbrachte die Nächte damit, mir ein Schiff zu zimmern und Segel zu nähen. Als es fertig war, verschaffte ich mir Trinkwasser und Proviant und stach in See. In der fünften Nacht brach ein Sturm los. Ich dachte: Wenn der Kami 2 des Ozeans nach meinem Leben trachtet, soll er es haben, doch ich werde nicht kampflos sterben. Ich forderte ihn heraus. Ich verhöhnte ihn und rief: âºZeig mir dein Antlitz! Wenn du es wagst, steige aus den Wolken und komm, um dich mit mir zu messen!â¹ Und der Kami erhob sich in Drachengestalt über den Wolkenbänken. Sein riesiger Leib schlängelte sich in der Finsternis, aus seinen Augen schossen Blitze. Er wuchs in die Höhe wie ein Berg und senkte über mich seine schwarzen Schwingen. Der Sturm zerfetzte die Segel. Eine riesige Sturzwelle ergoss sich über das Boot und ich wurde ins Meer geschleudert. Das Wasser schloss sich über mir wie eine Gruft und ich dachte: Der Kami hat sich gerächt und meinen Hochmut bestraft. Dann verlor ich das Bewusstsein.«
Er sprach sehr leise. In seinen Pupillen spiegelte sich die rote Glut.
»Als ich wieder zu mir kam, glaubte ich mich im Jenseits, so blendete mich das Licht. Doch die Schmerzen, die ich überall verspürte, brachten mich zur Besinnung. Da wusste ich, dass ich noch lebte. Die Wellen hatten mich auf einen Sandstrand gespült. Ich musste schon lange dort gelegen haben, denn die unzähligen Krabben, die auf mir herumkrochen, schienen mich bereits als ihre Nahrung zu betrachten! Ich schüttelte sie ab und wanderte landeinwärts auf der Suche nach Trinkwasser. Die Sonne brannte; der Strand schien sich ins Grenzenlose auszudehnen. SchlieÃlich verlieÃen mich die Kräfte und ich wurde wieder bewusstlos.
Ich erwachte in einer Schilfhütte. Eine alte Frau gab mir zu trinken und pflegte meine Wunden. Die Leute, die mich aufgenommen hatten, gehörten zum Stamm der Ama. Die Frauen tauchten nach Perlen und Schwämmen, während die Männer die Felder bestellten. Die alte Frau war ihr Sippenoberhaupt. Sie sorgte dafür, dass ich wieder zu Kräften kam, und so teilte ich einige Zeit lang das Leben der Ama. Ich lernte verschiedene Stammesoberhäupter kennen, die mir die Verwaltung der Erz- und Eisenminen übertrugen.
Jeder Küstenstamm hatte seine eigenen Bräuche und Gesetze; Blutfehden gehörten zum Alltag wie Hochzeiten. Sie lebten
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