Im Zeichen des himmlischen Baeren
schwarz und riesengroà und trug auf der Brust das weiÃe Zeichen der Mondsichel. Er griff mich an, doch ich drang auf ihn ein und enthauptete ihn mit einem einzigen Hieb meines Sternenschwertes. Aus seinem Blut entsprang eine Quelle. Als ich mich über das Wasser neigte, um meine blutigen Hände zu waschen, sah ich eine Muschel in allen Farben des Regenbogens schillern. Ich hob sie behutsam auf, doch sie zerbrach, und zwischen den Scherben schimmerte eine vollkommene, glänzende Perle. Diese Vision war so deutlich, dass ich noch beim Erwachen das Leuchten auf meiner Handfläche zu sehen glaubte â¦Â«
»Ich kann die Zeichen nur teilweise deuten«, sagte ich verwirrt. »Aber mir scheint, dass dir die Göttin etwas versprochen hat â¦Â«
Er sah mich mit einem kurzen, forschenden Blick an.
»Hast du nie daran gedacht«, fragte ich, »dir eine Gemahlin auszuwählen?«
Jetzt lachte er auf. Das Lachen vertiefte seine Falten und gab ihm gleichzeitig etwas Jungenhaftes. »Frauen gibt es viele in Izumo. Einige unter ihnen sind schön genug, um einen Mann durcheinanderzubringen! Doch ich bin die Einsamkeit gewöhnt. Sie war stets meine Gefährtin â¦Â«
Er wandte den Kopf und lauschte: Stimmen und Gelächter schallten durch die Stille, vom dumpfen Dröhnen der Trommel begleitet.
Susanoo lächelte mich an. »Heute Nacht, wenn der Erntemond scheint, werden die Bauern die âºTaimatsuâ¹, die Fackel zu Ehren der Erdmutter, verbrennen. Komm, sieh dir das Fest an.«
Ich folgte ihm auf die Terrasse. Die Sonne sank. Aus den Büschen erklang das Zwitschern, mit dem Vögel das Nahen des Abends verkünden. Himmel und Meer waren tiefblau. Bald würde sie die Sonne in glühendes Purpur tauchen.
Die Trommelschläge wurden lauter. Wachsoldaten beugten sich über die Mauern, als der Zug der Bauern die Wallbrücke überschritt. Die Männer, die die riesige Fackel schleppten, waren völlig erschöpft. Sie schwankten und stolperten. Die Frauen spornten sie durch Gelächter und Zurufe an. Ihr Blumenschmuck war bereits verwelkt und die Kleider klebten an ihren verschwitzten Körpern. Viele waren betrunken. Diener liefen lachend von allen Seiten herbei und die Krieger scherzten mit den Mädchen. Ich staunte über die Ungezwungenheit, die selbst in Anwesenheit des Königs herrschte, und erinnerte mich, dass Susanoo schon immer die steifen Umgangsformen und die höfische Redeweise verachtet hatte.
Auf dem letzten Stück kamen die Frauen und Mädchen den Männern zu Hilfe, und alle miteinander trugen die Kultfackel in den Innenhof, wo sie abgeladen wurde. Die Männer lieÃen sich stöhnend und schweiÃtriefend zu Boden sinken und Dienerinnen brachten ihnen heiÃe Tücher zur Erfrischung. Die Mädchen flüsterten und kicherten. Sie kämmten sich gegenseitig das Haar, flochten ihre Blumenkränze neu.
Nachdem sich die Männer ausgeruht hatten, begannen sie, die »Taimatsu« aufzurichten. Zuerst rammten sie ein Bambusgestell in den Boden, hoben unter groÃer Anstrengung den oberen Teil der Kultfackel an und stützten ihn darauf. Dann befestigten sie vier armdicke Hanftaue und zogen, während andere Männer auf der gegenüberliegenden Seite die Kultfackel mit Bambusstangen hochstemmten.
Die Muskeln der ziehenden Männer spannten sich, sie keuchten, zerrten aus Leibeskräften, während die Mädchen sie mit rhythmischem Händeklatschen anspornten. Die Taue knarrten, als sich die Kultfackel langsam aufrichtete. Plötzlich brach die Menge in Jubel aus: Die Kultfackel schwankte noch leicht, dann stand sie aufrecht. Sie überragte den höchsten Dachfirst. Am unteren Ende hatte sie den Umfang eines mächtigen Baumstammes, nach oben verjüngte sie sich. Der obere Teil stellte das Sonnenrad dar. Er war aus Schilfhalmen und in zwölf Bündel unterteilt, die nach unten gebogen einen groÃen Strahlenkranz bildeten.
»Die Kultfackel symbolisiert die Verbindung zwischen Himmel und Erde«, erklärte mir Susanoo, während die Männer die Taue im Boden verankerten. »Gleich wird das Feueropfer beginnen. Der Rauch, der in die Luft aufsteigt, wird sich mit dem Regenwasser wieder auf die Felder senken und den neuen Erntezyklus einleiten â¦Â«
Der Himmel färbte sich rot wie die Mohnblumen im Haar der Mädchen. Während sich die Sonne wie glühendes Gold im Meer
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