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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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in ständiger Furcht, denn das Gebiet befand sich in den Händen der Wei-Fürsten des chinesischen Festlandes, die sich den Zugang zu den Minen gewaltsam verschafft hatten. Die Wei plünderten die Dörfer, verschleppten Frauen und Jünglinge als Sklaven.
    Ich berief den Rat der Stammesoberhäupter ein und konnte sie von der Notwendigkeit einer Einigung überzeugen. Die Männer lehrte ich die Kunst des Waffenschmiedens und das Kriegshandwerk. Es dauerte volle drei Jahre, bis es uns gelang, die Wei endgültig aus Izumo zu vertreiben. Doch bevor wir ihrer Schreckensherrschaft ein Ende bereiteten, habe ich viel von ihnen gelernt. Einige ihrer Erfindungen waren von großem Wert, und ich übernahm sie: zum Beispiel die künstliche Bewässerung der Reisfelder, die Bodenheizung und die Keramikglasur.
    Weil ich sie von ihrem Feind befreit und ihnen zu Sicherheit und Reichtum verholfen hatte, ernannten mich die Küstenbewohner zu ihrem König. Und weil man vom Hochmoor von Suga aus die Sonne über das Meer steigen und wieder sinken sieht, wählte ich diesen Ort, um eine Festung zu erbauen …«
    Â»Du gabst ihr die Form eines Schiffes«, sagte ich.
    Er erwiderte: »Sind es nicht Schiffe, die uns hinführen, wo Meer und Himmel sich vereinigen?« Sein Gesicht verfinsterte sich. Seine Stimme wurde plötzlich hart. »So hat sich also Seine Allerhöchste Majestät in den Kopf gesetzt, sein Reich bis zur Ostküste auszudehnen! Ist ihm Yamatai nicht groß genug? Muss er in seiner Habgier auch noch fremde Grenzen überschreiten? Als die Macht den Frauen vorbehalten war, lebten die Menschen in Frieden mit sich selbst und der Gottheit. Du aber hast die Bräuche geändert und einem Krieger die Macht in die Hände gespielt …«
    Ich spürte die Tränen hochsteigen. Er holte tief Atem.
    Â»Verzeih mir«, sagte er bitter. »Welches Recht habe ich, dir Vorwürfe zu machen? Sollte ich vergessen haben, dass Blutschuld auf mir lastet?«
    Stumm zog ich ein kleines seidenes Bündel aus meiner Schärpe und legte es ehrfürchtig vor ihm hin. Er rührte sich nicht, doch ich sah die Anspannung in seinem Gesicht. Behutsam schlug ich das Tuch auseinander. Zwei Lederarmbänder kamen zum Vorschein, an denen grüne Achatsteine in Form von Bärenkrallen hingen. Es waren die heiligen »Tama«-Steine, das Symbol des uralten Bundes mit dem Tierreich, die man ihm bei seiner Verbannung abgenommen hatte.
    Â»Trage sie«, sagte ich leise. »Einst gehörten sie dir.«
    Er löste die Augen von den schillernden Steinen und senkte den Blick tief in meinen. Schweigend streckte er mir die Hände entgegen. Mit zitternden Fingern streifte ich die Armbänder über seine Handgelenke. Ich sah die Schwielen und Narben auf seiner Haut und erinnerte mich, dass ich es war, die ihm diese Wunden zugefügt hatte.
    Endlich riss er den Blick von den Steinen los und sah mich an. »Hab Dank«, sagte er mit rauer Stimme. »Neben dem Sternenschwert stellen die ›Tamas‹ den einzigen Besitz dar, der mir im Leben etwas bedeutete …«
    Die Tränen liefen mir über die Wangen. Eine Weile lang weinte ich still, ohne mich zu rühren. Ich schämte mich nicht, denn ich entsann mich des Tages, da er es war, der geweint hatte.
    Später sagte er: »Warum verlangt die Göttin von mir, dass ich meinem Feind zu Hilfe komme? Einst standen wir uns im Zweikampf gegenüber. Meine Waffe sprach zu mir, wie es manchmal vorkam, und bat mich, sie sein Blut trinken zu lassen. Doch dann bist du dazwischengetreten …«
    Seine Worte klangen in mir noch tiefer als die Worte des Orakels; tiefer, als meine Gedanken folgen wollten. Und da er nicht weitersprach, spürte ich, wie wir uns beide noch fürchteten, die Schatten der Vergangenheit in uns zu wecken.
    Nach einer Weile ergriff er wieder das Wort, doch er sprach von etwas anderem. »Als Kundschafter mir deine Ankunft meldeten, da war mir sofort klar, dass Seine sehr nervöse Majestät dich sandte. Ich war fest entschlossen, hart zu bleiben. Doch in der vergangenen Nacht hatte ich einen Traum.«
    Etwas in seiner Stimme ließ mich den Kopf heben. Ich wischte mit dem Ärmel über meine feuchten Augen und sah ihn voll an. Ich spürte, wie meine Haut prickelte.
    Â»Was für einen Traum?«
    Â»Ich ging durch einen Wald, als plötzlich ein Bär aus dem Dickicht trat. Er war

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