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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sich paarender Vögel nach. Dabei stießen sie kurze, durchdringende Schreie aus, die mit ihrem Echo die Nachtluft in Bewegung zu versetzen schienen. Wenn der Rhythmus wechselte, wirbelten sie herum, tanzten Rücken an Rücken und drehten sich in immer zügelloser werdenden Bewegungen, während sich ihr Rufen und Keuchen zu einem schrillen, vibrierenden Dauerton steigerte. Ihr Tanz übte einen solchen Zauber auf mich aus, dass ich mich überwältigt mitgerissen fühlte. Mein Atem flog; die Trommel dröhnte in meinen Schläfen, die Vogelschreie gingen mir unter die Haut. Ich spürte, wie ich die Beherrschung über meinen Körper verlor, wie meine Schultern zu beben, mein Hals zu vibrieren begann.
    Susanoo saß schweigend neben mir. Auch er hatte reichlich getrunken, doch man sah es ihm nicht an. Er hatte das Gesicht dem Mond zugewandt, der sich in seinen Augen spiegelte. Sein Körper war regungslos wie ein Salamander auf einem Stein. Er sah wie ein Mann aus, der den Zauber des Feuers, der Erde und des Himmels kennt und dem kein Geheimnis des menschlichen Herzens fremd ist.
    Plötzlich löste sich eine der Tänzerinnen aus der Runde und lief auf die Terrasse zu. Ich erkannte das Mädchen mit den Mohnblumen im Haar. Die verwelkten Blüten hingen schlaff über ihre erhitzte Stirn und das rote Kleid klebte ihr am Körper. Sie erklomm leichtfüßig die Stufen, näherte sich lachend dem König und nahm seine Hand, um ihn in den tanzenden Kreis zu ziehen. Ich sah trotz meiner Benommenheit, wie Höflinge und Würdenträger bestürzte Blicke tauschten. Das Mädchen musste derart betrunken sein, dass sie nicht mehr wusste, was sie tat!
    Doch der König lachte nur. Er erhob sich, ließ seinen schwarzen Umhang von den Schultern gleiten und folgte ihr in den Innenhof, wo sie ihn in den Kreis zog und ihm die Schritte zeigte. Ihre Augen und Zähne blitzten, ihre schmalen Hüften kreisten, und sie schüttelte ihr schweres blauschwarzes Haar wie ein Gefieder.
    Etwas erwachte in mir, worüber ich nicht nachsinnen wollte. Ich winkte Maki, die hinter mir kniete, und sie schenkte mir Reiswein ein. Ich trank und mein Blut kreiste schnell und rauschend. Edelleute und Hofdamen lehnten die Köpfe aneinander, umarmten sich und reichten einander den Reiswein. Paare verschwanden eng umschlungen in der Finsternis. Es hatte keinen Sinn zu denken! Ich schloss die Augen und versuchte, die Zeit zu vergessen.
    Und dann vernahm ich Schritte vor mir in der Dunkelheit und ein Schatten fiel auf die Stufen. Ich erkannte ihn und er reichte mir die Hand. Einen Herzschlag lang stockte mir der Atem, dann spürte ich, wie ich mich langsam aufrichtete, ihm entgegentrat. Unsere Finger berührten sich. Er nahm mich bei der Hand und ich folgte ihm wie eine Schlafwandlerin. Mit nachtblinden Augen versuchte ich, sein Gesicht zu erkennen, während wir in den wogenden, stampfenden Kreis traten, ein Teil dieser Bewegung wurden, eine Welle in der Strömung, die uns weiterzog und in der wir versanken. Die Luft war erfüllt von den Ausdünstungen der kalten Asche, dem verbrannten Pech, dem Duft der Blumen, dem Geruch von Schweiß, Staub und Salz. Ich dachte an das Schicksal, daran, was die Gottheit von den Menschen verlangte und wie weit der Mensch innerhalb seiner Bestimmung frei ist; schließlich dachte ich gar nichts mehr. Das Dröhnen und Stampfen umhüllte uns wie Rauch. Wir verschmolzen mit der Nacht, mit dem Tanz, mit unseren Träumen, wurden eins mit der Erde, dem Himmel und der ewig lebenden Gottheit.
    Â 
    Ich erwachte und glaubte mich auf hoher See. Ein gewaltiges, gleichmäßiges Rauschen erfüllte meine Ohren. Ich spürte das mächtige Heben und Senken des Ozeans, das schwellende Anrollen der hohen Meereswogen. Ich lag auf einer Matte in einem Raum, der nach Tang und Nebel roch. Allmählich kehrte das Gefühl in meinen Körper zurück; meine Schläfen schmerzten und meine Lippen waren geschwollen. Das Bewusstsein, aus Fleisch und Blut und lebendig zu sein, erfüllte mich ganz. Ich streckte mich und sank dann wieder mit einem Seufzer des Wohlgefühls in mich zusammen.
    Nach einer Weile richtete ich mich auf, zog mein Kleid über die Schultern und strich mir das wirre Haar aus dem Gesicht. Behutsam ließ ich die Schiebetür zur Seite gleiten. Maki, die auf einer Matte im Nebenzimmer schlief, rührte sich nicht, als ich an ihr

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