Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
nieder mit der nachlässigen, fast gelangweilten Haltung, die ihm eigen war. Er ließ mit undurchschaubarer Miene die üblichen Höflichkeitsfloskeln über sich ergehen. Erst als das gefangene Ainu-Mädchen hereingeführt wurde, schien sich etwas in seinen Augen zu beleben. Ich sah, wie sein Atem schneller ging.
    Kubichi hielt sich sehr gerade. Das Licht, das durch die Fenstergitter sickerte, schimmerte auf der Knochensichel an ihrem Hals. Ihr schmutziges Gesicht war abgezehrt, das Haar hing verfilzt und glanzlos herunter. Die Kleider waren zerrissen, Arme und Schultern von Dornen zerkratzt. Ihre Hände waren immer noch auf den Rücken gefesselt. Doch ihr Ausdruck, ihre Haltung spiegelten einen Stolz wider, den weder Niederlage noch Gefangenschaft zu brechen vermocht hatten.
    Einen Augenblick herrschte Stille; dann ergriff Iri das Wort. »Dein Volk versperrte uns den Weg nach Osten und fügte uns schwere Verluste zu. Viele tapfere Männer fanden den Tod. Wisse jedoch, dass die Sonnengöttin unseren Arm lenkt und unseren Weg ebnet. Ihre Rache wird das Volk der Aiu-Utari mitten ins Herz treffen. Unsere Waffen werden euch vernichten. Kein Greis, kein Säugling wird unseren Zorn überleben. Es sei denn, ihr würdet unserem Königshaus Vasallentreue und unbedingten Gehorsam schwören. Unter dieser Voraussetzung würde Wohlwollen unseren Groll mildern …«
    Kubichis graue Augen waren starr auf den König gerichtet. Ihre eigenartig geschwungenen Lider bebten. Sie hatte viele Tage geschwiegen, sodass mir beim Klang ihrer klaren, kühlen Stimme ein Schauer über den Nacken rieselte. »Was würde uns euer Wohlwollen nützen? Die Sisamu werden den Aiu-Utari den Tod bringen, selbst wenn sie Gnade üben. Es steht in ihren Herzen geschrieben, dass sie unser Land besitzen wollen, um es auszuplündern und zu beherrschen. Bevor nicht der Letzte unseres Volkes gestorben ist, wird es keinen Frieden geben.«
    Iri hatte sich nicht gerührt. Doch Yi-Am beugte sich vor und zischte: »Wie kannst du es wagen, Ihrer Allerhöchsten Majestät in dieser Weise zu antworten?«
    Sie hob herausfordernd den Kopf. »Was könntet ihr mir antun? Mich töten lassen? Ich fürchte den Tod nicht. Mich in einen Kerker werfen? Mein Herz ist frei wie ein Vogel: Es wird die Kerkermauern durchbrechen und singen in der Sonne. Du aber, König, und all die Deinen, ihr habt den Zorn der Götter zu fürchten, die uns einst dieses Land zum Geschenk machten. Das Feuer des Himmels wird euch verbrennen und eure Knochen in Staub verwandeln! Das ist mein letztes Wort. Mein Herz ist schweigsam und meine Stimme tot.«
    Sie presste die Lippen zusammen und richtete die Augen ins Leere.
    Iri gelang es nicht, noch eine einzige Silbe aus ihr herauszulocken. Seine Geduld war zu Ende. Ärgerlich gab er ein Zeichen. Die Wachoffiziere traten vor. »Wir werden ihren Starrsinn schon brechen. Man lege sie in Ketten und sperre sie ins Turmverlies!«
    Kubichis Handfesseln wurden gelöst und die Männer brachten die Ketten. Sie streckte ihnen hochmütig die Hände entgegen. Ich beobachtete, wie sie ihre kleinen, harten Fäuste ballte. Die Männer befestigten die Eisen um Hand- und Fußgelenke und während der ganzen Zeit ließ Susanoo sie nicht aus den Augen. Dann packten die Wachen die Gefangene und zerrten sie aus dem Raum.
    Ein tiefer Atemzug hob Susanoos Brust. Unsere Blicke trafen sich. Ich spürte, wie mein Herz schnell und hart gegen die Rippen pochte. Einige Atemzüge lang blieb sein Gesicht ausdruckslos und starr, dann senkte er langsam die Lider; und der Schmerz, der mich durchzuckte, war so heftig und unerwartet, dass ich die Zähne in die Lippen bohrte, um einen Aufschrei zu unterdrücken.
    In der Nacht hatte ich einen Traum: Ich kauerte in einem finsteren, feuchten Kerker. Die Decke war so niedrig, dass ich nicht aufrecht darin stehen konnte. Ein Wachtposten stand draußen vor der eisenbeschlagenen Tür. Ich kauerte mit dem Rücken zur Wand und wartete. Es war eisig kalt. Eine Schale voll Reis hatte der Wächter mir durch die niedrige Türöffnung hereingeschoben. Eine Holzritze ließ fahles Dämmerlicht in den Kerker sickern: Bald würde der Tag anbrechen. Ich bewegte mich und die Ketten schleiften mit leisem Klirren über den Steinboden …
    Es war ein merkwürdiger Traum: Ich war nicht mehr Toyo, die Königin. Ich war das

Weitere Kostenlose Bücher