Im Zeichen des himmlischen Baeren
die Zeit, wo auch Yoichi im Sterben lag. Sie rief die heiligen Bären zu sich, die das Zeichen des Mondes trugen, und sprach zu ihnen: âºIhr Bären, schützt die Aiu-Utari, wenn sie von Feinden bedroht werden.â¹ Die Bären versprachen es.
Dann rief sie die heiligen Vögel und sprach zu ihnen: âºIhr Boten des Himmels, wenn ich gestorben bin, tragt meinen Leichnam zum Nordstern hinauf, wo mein lieber Gatte mich erwartet. Er wird mir einen Kamm aus Mondstein und ein Kleid aus Sternenstaub schenken.â¹
Yoichi starb und die Vögel trugen sie in den Himmel. Zehnmal tausend Jahre sind seit ihrem Tod vergangen, aber die Kinder der Aiu-Utari haben sich ihre heiligen Vorrechte bis zum heutigen Tag bewahrt â¦Â«
Kubichi verstummte. Susanoo starrte sie an. Ihre Stirn war klar und glatt und in ihren Augen schimmerte ein ruhiger Stolz. Langsam kam ihm die Bedeutung ihrer Worte zu Bewusstsein. »Willst du damit sagen, dass die Aiu-Utari ihre Verstorbenen den Geiern ausliefern?«
Sie nickte. »Ja. Wir lassen es nicht zu, dass unsere Toten begraben werden. Wir tragen sie, in ein weiÃes Leinentuch gehüllt, auf den Nordhang des âºKunne-Iomanteâ¹, den Berg der Bären. Dort betten wir sie auf ein Lager aus Zweiggeflecht und überlassen sie den Boten des Himmels. Der Ritus schreibt vor, dass die Angehörigen bei den Toten bleiben müssen, bis die heiligen Vögel ihr Werk vollendet haben.«
Seine Hände wurden kalt und er empfand wider Willen ein Grauen. An ihren flackernden Augen merkte er, dass ihr seine Gefühle nicht verborgen blieben.
Ihre Stimme ging in hastiges Flüstern über. »Hör mir gut zu. Wenn du mich zu deiner Gattin erwählst, müssen wir unser Blut mischen. Nur in einer mondlosen Nacht, wenn der Stern des Nordens leuchtet, kann eine Priesterin die heiligen Worte sprechen, die aus uns ein einziges Wesen machen. Ein jeder von uns muss den Eid ablegen, seinen zuerst gestorbenen Gatten den Vögeln des Himmels zu übergeben â¦Â«
Sein Herz schlug heftig. Die Wahl war schwer, die er zu treffen hatte. Aber es war nicht die erste Wahl in seinem Leben. »Und wenn ich mich weigern würde, diesen Eid abzulegen?«
Sie lächelte traurig. »Dann würdest du mir das Glück verwehren, nach dem Tod in meine himmlische Heimat zurückzukehren â¦Â«
Er schwieg.
Ihre Stimme klang gepresst. »Diese Riten sind Bestandteil unseres Lebens. Auch war ich schon bei meiner Geburt dazu auserwählt, die Bären anzuführen. Es ist immer das Vorrecht der erstgeborenen Tochter des âºPorunnesipaâ¹, des Häuptlings aller Häuptlinge, gewesen, diese Aufgabe zu erfüllen. Gleich nach meiner Geburt brachte mich meine Mutter auf den Kunne-Iomante, den heiligen Berg, wo Emekka, die Bärenpriesterin, mich in ihre Obhut nahm. Ich wurde von einer Bärin zusammen mit ihren Jungen gesäugt. Ich vermag alles über diese Tiere, denn sie kennen den Geruch meiner Haut und betrachten mich als eine der Ihren.«
Er blieb weiterhin stumm.
Ihre Lippen wurden weià und der flackernde Ausdruck erschien wieder in ihren Augen. »AuÃer dir hat noch niemals ein Fremder davon Kenntnis erhalten. Ich weiÃ, dass ich dich jetzt verlieren werde, denn kein Mensch einer anderen Rasse kann unsere Gefühle verstehen und unsere Riten achten. Doch ich weià auch, dass ich mit keinem anderen auÃer dir den heiligen Eid teilen möchte. Du aber wirst mich mit Abscheu von dir stoÃen â¦Â« Mit zitternden Händen löste sie die Knochensichel von ihrem Hals und reichte sie ihm. »Ich liebe dich mehr als mein Leben. Bevor du mich verlässt, nimm diese Waffe und bereite meinem Leid ein Ende. Doch bitte ich dich, begrabe mich nicht. Die heiligen Vögel sind nahe. Sie werden mich finden und mich zu meinen Vorfahren in den Himmel geleiten â¦Â«
Ihr klares goldenes Gesicht war jetzt starr wie eine Maske. Unter den blau schimmernden Lidern blickten die Augen ins Sonnenlicht und sie schien ihn nicht mehr zu sehen.
»Ich sage dir, dass ich dich liebe und dich zur Gemahlin wünsche.« Susanoos Stimme klang sanft. »Die Götter mögen mit verschiedenen Zungen sprechen, die Herzen der Menschen aber verstehen ihre Botschaft.« Er erhob sich, ging um die verglimmende Feuerstelle und nahm ihr den Schmuck aus der Hand. Eine Weile betrachtete er nachdenklich die matt schimmernde Sichel. Dann sprach er:
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