Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
lehnte sich an die Wand und schob sich die Arme hinter den Rücken.
»Wir glauben, daß die Familie aus dem Fall herausgenommen werden kann«, sagte er. »Per, der Sohn, hat ein hieb- und stichfestes Alibi. Wir haben natürlich an ein Komplott gedacht, er hätte im Grunde nicht im Büro von Birgitte Volter sein müssen, als der Schuß gefallen ist, aber für ein Komplott gibt es absolut keinen Anhaltspunkt. Was die Waffe angeht … wir haben die Komplott-Theorie noch einmal aufgegriffen, als sich herausstellte, daß sie Per gehört. Aber wir müssen einfach davon ausgehen, daß sie der Familie auf irgendeine Weise gestohlen worden ist. Nein …«
Er stieß sich mit den Händen von der Wand ab, wippte auf den Fußballen auf und ab und starrte kurz zu Boden.
»Per Volter ist ein sehr unglücklicher junger Mann, dessen Leben über Nacht auf den Kopf gestellt worden ist. Aber ein Mörder … nein, dafür halte ich ihn nicht. Auch Roy Hansen können wir vernachlässigen. Das habe ich ja schon erklärt …«
Er sah den Polizeipräsidenten an, der kurz nickte.
»Er kann sich wohl kaum an den Wächtern vorbeigeschlichen, seine Frau ermordet und uns dann die Waffe seines Sohnes geschickt haben. Außerdem wissen wir, daß er um 18.40 von seinem Haus aus mit seiner Mutter telefoniert hat. Das bestätigen die Gesprächslisten des Fernmeldeamtes. Allein das schließt ihn im Grunde schon aus, sie wohnen ja in Groruddalen. Der Mord muß ungefähr um diese Zeit geschehen sein. Selbst wenn …«
Wieder blickte er den Polizeipräsidenten an, wieder nickte der, diesmal jedoch verärgert.
»Es macht wenig Spaß, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, aber wir müssen doch erwähnen, daß Roy Hansen im letzten Herbst einen kleinen Seitensprung hatte. Mit der Gesundheitsministerin Ruth-Dorthe Nordgarden.«
Leises Gemurmel kam auf, selbst die Generalstaatsanwältin hinter ihrer wenig kleidsamen, altmodischen Stahlbrille schien interessiert.
»Aber die Affäre hat nicht lange gedauert. Und ich halte es für höchst zweifelhaft, ob eine solche Beziehung ein Mordmotiv darstellen kann. Nein …«
Billy T. ging auf seinen Stuhl zu, blieb jedoch auf halber Strecke stehen.
»Die Familie Volter/Hansen ist eine ganz normale norwegische Familie. Mit ihren Freuden und Sorgen und ihren düsteren Geheimnissen. Wie alle anderen auch. Und was diesen Gesundheitsskandal angeht …«
Er fuhr sich über den Schädel, wie immer, wenn er resignierte.
»Den müssen wohl andere bewerten. Ich kann nur sagen, daß …«
Sein Gespräch mit Hanne Wilhelmsen vom Samstagabend, als die Kinder schon schiefen, lief wie ein Video im Zeitraffer vor seinem inneren Auge ab.
»Wenn dieser Skandal mit dem Mord in Zusammenhang stehen sollte, dann geht es wohl kaum um den Skandal in seiner Gesamtheit. Birgitte war damals eine blutjunge Mutter. Falls die Todesfälle von 1965 etwas mit diesem Mord zu tun haben, dann müssen wir wohl nach etwas suchen, das Birgitte Volters eigenes kleines Mädchen betrifft. Aber ich glaube das alles nicht, wie gesagt.«
Er setzte sich und murmelte:
»Der Wächter. Der war’s.«
Er hielt dabei die Hand vor den Mund und wollte von niemandem gehört werden. Der Wächter fiel nicht in sein Ressort. Tone-Marit saß neben ihm und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Du gibst nicht auf«, flüsterte sie und erhob sich auf ein Zeichen des Polizeipräsidenten hin.
»Billy T. hat die Waffe nicht erwähnt«, sagte sie laut. »Den Nagant-Revolver, mit der der Mord verübt wurde und von dem wir jetzt mit Sicherheit wissen, daß er Per Volter gehört. Wir haben den Waffenschrank im Haus der Familie untersucht. Dort haben wir die Fingerabdrücke aller Familienmitglieder gefunden, was ja kein Wunder ist. Ansonsten kann ich noch hinzufügen, daß es im Hause ansonsten kaum Abdrücke gab. Kein Wunder, schließlich hat das Außenministerium eine der leistungsstärksten Reinigungsfirmen hingeschickt, ehe wir das Haus untersuchen konnten.«
Tone-Marit legte eine vielsagende Pause ein.
»Ein ziemlicher Patzer, das können wir getrost sagen. Also, ich glaube, im Moment müssen wir uns mit der Feststellung begnügen, daß die Waffe aus dem Haus der Familie entwendet wurde, auch wenn nichts auf einen Einbruch hinweist. Leider wissen wir nichts über den Zeitpunkt des Diebstahls, da Per den Waffenschrank seit Weihnachten nicht mehr geöffnet hatte.«
Sie setzte sich auf die Tischkante und blickte die anderen Anwesenden
Weitere Kostenlose Bücher