Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
an.
»Billy T. hat sich ziemlich in diesen Wächter aus dem Regierungsgebäude verbissen«, sagte sie und lächelte ihren Kollegen an. »Und ich stimme ihm da eigentlich zu. Da gibt es irgend etwas, das wir noch nicht zu fassen bekommen. Aber ich bin davon überzeugt, daß dieser Bursche gelogen hat. Es war wirklich ärgerlich, daß er einfach gestorben ist. Rücksichtslos geradezu.«
Einige von den anderen schmunzelten, die Generalstaatsanwältin jedoch bedachte Tone-Marit mit einem tödlichen Blick. Tone-Marit machte ein aufgesetzt ernstes Gesicht und zwinkerte Billy T. zu.
»Wir wissen immerhin, daß er im Gegensatz zu den meisten anderen, die in diesen Fall verwickelt sind, wirklich am Tatort war. Was nicht unwichtig ist, denn unser größtes Problem abgesehen vom fehlenden Motiv ist, herauszufinden, wie irgendwer Frau Volter ermordet haben könnte. Wir versuchen also festzustellen, ob er zu einer bestimmten Szene gehört. Und dabei könnte ich mir durchaus eine engere Zusammenarbeit … mehr Hilfe von …«
Tone-Marit blickte den Überwachungschef herausfordernd an, der jedoch saß da wie eine Sphinx. Billy T. war beeindruckt. Tone-Marit fürchtete sich wirklich vor nichts und niemandem.
»Und nun zu diesem Benjamin Grinde«, sagte sie und ließ ihren Blick zum Polizeipräsidenten weiterwandern. »Soll ich das machen oder vielleicht der Polizeirat …?«
Der Polizeipräsident machte mit der rechten Hand eine ungeduldige, rotierende Bewegung, und Tone-Marit sagte:
»Was die Pillendose angeht, so weist sie von außen Fingerabdrücke auf – von Birgitte Volter, Wenche Andersen und Benjamin Grinde. Was bedeutet, daß sie Grinde vermutlich vor relativ kurzer Zeit in die Hände geraten ist. Und das stimmt mit Wenche Andersens Aussage überein. Innen gibt es keine Abdrücke. Was die Dose bedeutet und ob sie überhaupt etwas bedeutet, läßt sich noch nicht sagen.«
Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Stirn und schaute den Polizeipräsidenten an.
»Ich gäbe sehr viel für einen Abschiedsbrief dieses Mannes. Denn es steht ganz fest, daß Benjamin Grinde wirklich Selbstmord begangen hat. Keine Anzeichen für einen Einbruch in seiner Wohnung, überhaupt nichts, was auf Gewaltanwendung oder Zwang hindeutet. Die Wohnung war aufgeräumt und sauber, im Kamin gab es Asche, die darauf schließen läßt, daß er geistesgegenwärtig genug war, um sich von seinen persönlichsten Papieren zu trennen. Die Unterlagen, die er von der Arbeit mit nach Hause genommen hatte, lagen fein säuberlich auf dem Tisch, als wollte er seinem Nachfolger so wenig Probleme wie möglich machen. Aber es gibt keinen Abschiedsbrief. Was ja an sich sehr ungewöhnlich ist.«
»Er schuldete vielleicht niemandem eine Erklärung«, sagte der Polizeipräsident mit leiser Stimme.
Tone-Marit blickte von ihren Notizen auf, einer kleinen Karteikarte voller Stichwörter, die sie in der linken Hand hielt.
»Das gibt es manchmal«, sagte der Präsident und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Wir können hier von einem geordneten Selbstmord sprechen. Alles ist geklärt und geordnet, es gibt keine losen Fäden. Nur das Ende eines Lebens. Es ist gewissermaßen ausgewischt. Als ob es nie bestanden hätte. Traurig. Sehr, sehr traurig.«
»Aber die Mutter … und der Mann hatte Freunde. Sehr enge Freunde.«
»Aber war er ihnen irgend etwas schuldig?«
Der Polizeipräsident schien in der Sache sehr engagiert, und Billy T. konnte sein Erstaunen kaum verbergen. Als der Präsident vor einem guten halben Jahr seine Stelle antrat, hatte Billy T. wie die meisten anderen, große Zweifel gehabt. Der Mann hatte nur wenig Erfahrung mit der Ermittlungsarbeit; er war kaum bei der Polizei gewesen und hatte nur zwei Referendariatsjahre in Bodø Anfang der siebziger Jahre vorzuweisen. Dafür war er elf Jahre Richter gewesen, was nicht gerade ideale Voraussetzungen waren, wenn jemand die größte und turbulenteste Wache im ganzen Land übernehmen sollte. Aber er war mit seinen Aufgaben gewachsen. Er hatte sie während der vergangenen zwei Wochen alle beeindruckt. Er hielt sie zusammen, machte aus ihnen ein Team. Sie arbeiteten, bis sie vor Müdigkeit umfielen, aber noch niemand hatte sich über diese unbezahlten Überstunden beklagt. Und allein das war eine seiner allergrößten Leistungen.
»Selbstmord ist ein sehr interessantes Thema«, fuhr der Polizeipräsident fort und ließ sich in den Sessel zurücksinken, denn er wußte, daß alle jetzt genau
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