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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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schließlich. »Der Haftbefehl war ja offenbar unbegründet, und wenn du vom Amt zurücktreten würdest, hieße das, daß wir uns von Spekulationen beeinflussen ließen. Aber wir sollten uns sicherheitshalber mit den Anwälten beraten.«
    Er erhob sich und hielt den vier anderen Richtern die Tür auf, die in ihren schwarzen, am Hals mit purpurrotem Samt besetzten Roben schon draußen warteten. Er zog den ältesten beiseite und unterhielt sich so leise mit ihm, daß die anderen kein Wort verstanden. Als der Gerichtspräsident den Raum verlassen wollte, trat der Justizsekretär ein.
    Der älteste Richter erhob sich und nickte den anderen kurz zu, die ebenfalls aufstanden.
    Das feierliche Gefühl, das Grinde sonst immer überkam, wenn er sich hinsetzte, nachdem er den Anwälten kurz und formell zugenickt hatte, war verschwunden. Der Sessel mit der hohen Rückenlehne kam ihm unbequem vor, seine Robe war zu warm.
    »Das Gericht ist vollzählig. Wir behandeln heute die Berufungssache Nummer …«
    Benjamin Grinde fühlte sich wirklich nicht wohl. Er streckte die Hand nach einem Glas Wasser aus, doch er zitterte so sehr, daß er es stehenließ.
    »Gibt es irgendwelche Einwände gegen die Zusammensetzung des Gerichtes?«
    Der Gerichtsratsvorsitzende ließ seinen Blick von einem Anwalt zum anderen wandern, die Anwälte standen hinter der Schranke, die sich direkt gegenüber dem hufeisenförmigen Richtertisch befand. Der Adamsapfel des Anwalts, der hier seinen ersten Berufungsfall vertrat, hüpfte wie ein Jojo auf und ab und hinderte ihn daran, überhaupt irgend etwas zu sagen. Er schüttelte fieberhaft den Kopf. Eine Anwältin von fast sechzig jahren sagte mit fester, klarer Stimme:
    »Nein.«
    »Ich bin mir über die Tatsache im klaren, daß wir uns heute in einer etwas besonderen Situation befinden«, sagte der Gerichtsratsvorsitzende und blätterte dabei aufs Geratewohl in seinen Unterlagen, juristischen Erörterungen unterschiedlicher Qualität, soweit er es beurteilen konnte. »Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, daß ein größerer Zeitungsartikel erschienen ist, in dem Richter Grinde«, er nickte kurz nach links, »erwähnt wird. Angeblich wurde er im Zusammenhang mit dem tragischen Mordfall, von dem wir alle wissen, festgenommen. Nun gut. Wir haben unsererseits Informationen eingeholt und verfügen über die Bestätigung des Generalstaatsanwaltes, daß es sich um einen Irrtum gehandelt hat. Ich sehe deshalb keinen Grund, warum eine spekulative Schlagzeile … in der Boulevardpresse …«
    Bei diesen Worten machte er ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen.
    »… zum Rücktritt eines Richters beim Obersten Gericht führen sollte. Aber wie gesagt, es ist eine besondere Situation, und ich möchte Sie fragen, ob Richter Grinde das nötige Vertrauen genießt. Ich frage deshalb noch einmal und, wie gesagt, nur der Ordnung halber: Gibt es irgendwelche Einwände gegen die Zusammensetzung dieses Gerichts?«
    »Nein.«
    Jetzt antworteten die Anwälte wie aus einem Mund, und der jüngste von ihnen lehnte sich an den schweren Schrank aus Teakholz. Er schluckte und richtete sich wieder zu seiner ganzen Größe auf, als der Gerichtsratsvorsitzende ihm das Wort erteilte.
    Benjamin Grinde registrierte nicht, daß Liten Lettvik sich leise von der hintersten Zuhörerbank erhob und den Saal verließ.
    12.00, Hauptwache Oslo
    Auch der weiche Südküstenakzent konnte die Wut des Polizeipräsidenten Hans Christian Mykland nicht verbergen. Als er mit der Faust auf den Tisch schlug, richteten sich hundertfünfzig Beamte in ihren Stühlen auf.
    »Ich bin zutiefst verstimmt über diese Angelegenheit. Zutiefst verstimmt. Ich hatte geglaubt, mich bei der Besprechung am Samstag klar genug ausgedrückt zu haben. Nichts sollte an die Presse durchsickern!«
    Wieder schlug er auf den Tisch.
    »Dieser Haftbefehl war ein Fehler. Das wissen wir alle. Und jetzt riskieren wir eine saftige Klage auf Entschädigung wegen Fahrlässigkeit im Dienst. Ist euch eigentlich klar, was es bedeutet, die dritte Macht im Staat zu beleidigen?«
    Niemand fühlte sich zu einer Antwort berufen; die meisten vertieften sich in den Anblick ihrer eigenen Knie.
    »Wir werden dieser Sache nachgehen. Und ich werde persönlich dafür sorgen, daß derjenige, der den Haftbefehl weitergereicht hat, ziemlichen Ärger bekommt. Mit mir!«
    Der Polizeipräsident hatte es endlich geschafft, sich zu rasieren, und er strahlte eine gewisse Entschlossenheit aus. Er schien während

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