Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
Benjamin Grinde auf Wenche Andersen zu. Sie konnten sich nicht einigen, auf welcher Seite er an ihr vorbeigehen sollte, und blieben deshalb stehen wie zwei Kampfhähne, die nicht wissen, wer der stärkere ist.
    »Halt«, sagte Billy T. noch einmal mit tiefem Seufzen und einem vielsagenden Blick zum Polizeirat, der bisher noch gar nichts gesagt hatte.
    Er sprach übertrieben langsam und deutlich, als habe er es mit fünfjährigen Kindern zu tun, die in die Kunst des Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiels eingeführt werden sollten.
    »Nicht Theater spielen. Und ganz locker bleiben. Es ist nicht weiter wichtig, wo Sie hier gestanden haben oder wohin Sie gegangen sind. Also …«
    Er legte Benjamin Grinde seine Pranke auf die Schulter und führte ihn energisch durch die Tür zum Büro der Ministerpräsidentin.
    »Sie kommen also herein und …«
    Brav ließ Benjamin Grinde sich an der Sitzgruppe vorbei und mitten ins Zimmer führen. Billy T. ließ ihn los und nickte. Das brachte nichts. Der Richter blieb hilflos stehen und wurde noch ein wenig bleicher.
    »Sie haben sie doch sicher begrüßt«, regte Billy T. an und wußte, daß er viel suggestiver war, als die Regeln es zuließen. »Haben Sie sie umarmt? Oder ihr die Hand gegeben?«
    Benjamin Grinde gab keine Antwort, sondern starrte den Schreibtisch an, der jetzt aufgeräumt und gesäubert war und keine Spur der Tragödie aufwies, die sich am vergangenen Freitag dort abgespielt hatte.
    »Haben Sie ihr die Hand gegeben, Grinde?«
    Der Mann fuhr zusammen. Plötzlich schien er sich zu erinnern, wo er war und was von ihm erwartet wurde.
    »Wir haben uns die Hand gegeben und uns kurz umarmt. Das wollte sie so. Die Umarmung, meine ich. Ich fand das ein wenig unnatürlich. Ich hatte Frau Volter doch seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.«
    Seine Stimme war angespannt und leise.
    »Und dann?«
    Billy T. machte eine rotierende Handbewegung, in der Hoffnung, Grinde damit weiterzubringen.
    »Dann habe ich mich gesetzt. Hierhin.«
    Er ließ sich in einen Sessel fallen und legte die weinrote Aktentasche vor sich auf den Schreibtisch.
    »Haben Sie die dort hingelegt?«
    »Was? Ach so, meine Tasche. Nein.«
    Er schnappte sich die Tasche und lehnte sie an ein Sesselbein.
    »So habe ich hier gesessen.«
    »Eine Dreiviertelstunde lang«, sagte Billy. »Und gesprochen haben Sie über …«
    »Das spielt hier keine Rolle, Billy T.«, schaltete sich der Polizeirat ein und räusperte sich. »Das ist kein Verhör. Richter Grinde hat seine Aussage schon gemacht.«
    Ein serviles Lächeln in Richtung Benjamin Grinde, aber der Richter war mit seinen Gedanken weit weg.
    »Na gut«, sagte Billy T., ohne seinen Ärger verbergen zu können. »Und dann? Nach der Unterredung?«
    »Ich bin aufgestanden und gegangen. Mehr ist nicht passiert.«
    Nun schaute er zu Billy T. hoch. Seine Augen waren dunkler als zuvor, das Braun der Iris verschwamm mit dem Schwarz der Pupillen. Das Weiße in seinen Augen war blutunterlaufen, der Mund schmaler denn je.
    »Mehr gibt es nicht zu erzählen. Tut mir leid.«
    Für einen Moment schien Billy T. nicht zu wissen, was er tun sollte. Er ging zum Fenster. Jetzt, wo es draußen hell war, kam ihm Oslo grauer und chaotischer vor als beim letzten Mal, als die vielen Lichter die Stadt schön gemacht hatten. Plötzlich drehte er sich wieder um.
    »Was hat sie gesagt, als Sie gegangen sind?«
    Benjamin Grinde, der noch immer im Sessel saß, starrte vor sich hin und sagte dann:
    »Sie hat ›schönes Wochenende‹ gesagt.«
    »Schönes Wochenende? Nicht mehr und nicht weniger?«
    »Nein. Sie hat mir ein schönes Wochenende gewünscht, und dann bin ich gegangen.«
    Er stand auf, klemmte sich die Tasche unter den Arm und ging zur Tür.
    »Richter Grinde kann doch sicher gehen?«
    Das war der Polizeirat, und es war eher ein Befehl als eine Frage.
    »Von mir aus«, murmelte Billy T.
    Aber recht war ihm das gar nicht. Benjamin Grinde sprach nicht die Wahrheit. Der Mann war der erbärmlichste Lügner, der Billy T. jemals über den Weg gelaufen war. Seine Lügen fuhren mit Blaulicht und Martinshorn, sie waren offenkundig und dennoch unbegreiflich.
    »Holt den Wachmann«, bat er einen uniformierten Polizisten und ging hinter Benjamin Grinde her.
    Auf der Treppe legte er dem Richter wieder die Hand auf die Schulter. Grinde fuhr zusammen und erstarrte, drehte sich jedoch nicht um. Billy T. ging an ihm vorbei und blieb zwei Stufen unter ihm stehen; als er sich umdrehte, befanden

Weitere Kostenlose Bücher