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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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als sie mit einer seltsamen Grimasse – immer dieses Zucken im Gesicht, wie ein Tick, eine plötzliche Gesichtsbewegung ohne erklärbare Ursache – die Besprechung beendete. Kaum jemand außerhalb der Regierungskreise hatte sie gekannt, als sie zur Gesundheitsministerin ernannt wurde, obwohl sie schon seit vier Jahren stellvertretende Parteivorsitzende gewesen war. Die Frau hatte Geschichte studiert und vor langer Zeit als Lehrerin gearbeitet. Sie war geschieden, hatte halbwüchsige Zwillingstöchter und war eine ganze Weile einfach nur Hausfrau gewesen. Danach war sie hier und dort aufgetaucht, bei der Gewerkschaft, bei anderen sozialdemokratischen Organisationen, jedoch niemals für längere Zeit. Ihre Position war immer stärker geworden, während sie sich zugleich auf bemerkenswerte Weise im Hintergrund gehalten hatte. Und in Gesundheitsfragen hatte sie sich niemals besonders profiliert. Doch dann war sie Gesundheitsministerin geworden.
    Edvard Larsen konnte seine neue Chefin nicht leiden, was ihm arg zu schaffen machte.
    »Damit wäre diese Besprechung beendet.«
    Der Staatssekretär, der politische Berater und der Ministerialrat erhoben sich gleichzeitig mit Edvard Larsen.
    »Gudmund! Du bleibst hier!« sagte die Ministerin.
    Der politische Berater, ein kräftiger junger Mann, wandte sich um und blickte den anderen, die das Zimmer verließen, neidisch hinterher.
    Ruth-Dorthe Nordgarden verließ den Besprechungstisch und setzte sich in ihren geräumigen Schreibtischsessel. Dort blieb sie sitzen und starrte Gudmund Herland an. Sie hatte Ähnlichkeit mit einer ramponierten Barbie-Puppe, ihr Gesicht war leer, die Augen weit aufgerissen, und sie verzog die Oberlippe auf eine Weise, die den nervösen jungen Mann veranlaßte, aus dem Fenster zu schauen.
    »Diese Grinde-Sache«, sagte sie vage.
    Der politische Berater wußte nicht, ob er sich setzen durfte, und seine Chefin war ihm auch keine Hilfe; deshalb blieb er stehen. Er kam sich vor wie ein Idiot.
    »Warum weiß ich nichts davon, daß er mehr Geld wollte?«
    »Ich habe doch versucht, es zur Sprache zu bringen …«, setzte Gudmund Herland an.
    »Versucht! Es ist ein Skandal, daß ich über so wichtige Angelegenheiten nicht informiert werde.«
    Sie spielte mit einem Kugelschreiber herum, der unter ihrem harten, hektischen Zugriff zu zerbrechen drohte.
    »Hör mal, ich habe dir doch gesagt, daß er einen Termin wollte, um darüber zu sprechen, aber du …«
    »Du hast nicht gesagt, worum es ging.«
    »Aber …«
    »Damit ist dieses Gespräch beendet.«
    Sie sagte das in einem energischen Tonfall und gestikulierte herum, ohne ihn anzusehen.
    »Du mußt dich zusammenreißen. Du mußt dich wirklich zusammenreißen. Du kannst gehen.«
    Gudmund Herland ging nicht. Er stand mitten im Raum und spürte, wie eine gewaltige Wut in ihm aufstieg, er kniff den Mund zusammen und schloß die Augen. Diese blöde Kuh, dieses verdammte Drecksstück. Er hatte sie nicht nur darüber informiert, daß Benjamin Grinde sie sprechen wollte, er hatte ihr sogar so inständig wie möglich geraten, ihn zu empfangen. Durch diesen Gesundheitsskandal würde sie sich profilieren, ihre Tatkraft unter Beweis stellen können. Wenn diese Regierung etwas brauchte, dann genau das, Beweise für ihre Tatkraft. Aber sie hatte ihm gar nicht richtig zugehört und gleich abgewunken. Sie habe keine Zeit. Später vielleicht. Wie immer: später vielleicht. Diese Frau wußte nicht, was so ein Posten bedeutete. Sie glaubte, die üblichen Bürozeiten einhalten zu können, und war stocksauer, wenn sich ihr Abendessen mit ihren überaus wohlgeratenen Töchtern verspätete.
    Er biß die Zähne so fest zusammen, daß es knackte und er seine Chefin fast nicht gehört hätte.
    »Willst du den ganzen Tag hier herumstehen?«
    Er öffnete die Augen. Jetzt sah sie aus wie ein Mitglied der Adams Family, ihre Wangen waren zu einer diabolischen Fratze verzogen. Sie war es nicht wert, an dieser Klippe sollte seine politische Karriere nicht scheitern. Wortlos drehte er sich auf dem Absatz um und ging. Eine winzige Freude gönnte er sich aber trotzdem; er knallte die Tür unnötig laut hinter sich zu.
    Ruth-Dorthe Nordgarden griff zum Telefon und bat den Ministerialrat zu sich. Während sie wartete, ließ sie sich in den Sessel zurücksinken und legte die Füße auf den Papierkorb. Dabei musterte sie die Vorhänge. Sie gefielen ihr nicht, und sie ärgerte sich darüber, daß noch immer keine neuen aufgehängt worden waren,

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