Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
wünsche dir einen schönen Geburtstag. Bis demnächst!«
Er hüllte sich in seinen Mantel und war verschwunden. Hanne riß ein Blatt aus ihrem Terminkalender und zeichnete ihr Dreieck noch einmal. Volter-Grinde-Wächter. Im Artikel hatte Gesundheitsministerin Ruth-Dorthe Nordgarden versichert, die Sache werde sehr ernst genommen, und der Kommission würden die nötigen Mittel und Befugnisse zur Verfügung gestellt werden, um die ausländischen Spuren zu verfolgen. Hanne zögerte kurz, ehe sie die Initialen RDN zwischen Grinde und Volter setzte. Der Wächter kam ihr plötzlich überflüssig vor, seine Anwesenheit auf dem Papier störte das neue Dreieck. Wenn Benjamin Grinde Selbstmord begangen hatte, was mochte ihn dazu veranlaßt haben? Falls es mit dem Gesundheitsskandal zu tun hatte, war das eigentlich unlogisch. Er hätte doch stolz darauf sein müssen, daß bereits soviel geklärt war. Die Schlagzeilen der letzten Woche waren für ihn zwar zweifellos sehr unangenehm gewesen, aber sich deswegen gleich das Leben zu nehmen …
Jetzt waren ihre Kopfschmerzen unerträglich. Plötzlich strich sie ihre Zeichnung durch und riß sie in Fetzen.
»Das hat doch alles keinen Sinn«, sagte sie sich und ging hinaus, vielleicht würde die frische Luft ihr ja helfen.
Draußen wählte sie eine Nummer auf ihrem Mobiltelefon. Ohne ihren Namen zu nennen, fragte sie:
»Sehen wir uns heute abend?«
Und einige Sekunden später beendete sie das Gespräch:
»Gut. Um sieben. Im Restaurant Tranen. Auf dem Alexander Kiellands Plass.«
Dann wählte sie Billy T.s Nummer.
»Hallo, ich bin’s. Ich laß dich auch heute allein. Muß essen gehen.«
»Ist das off the record oder on the record, falls Cecilie anruft und nach dir fragt?« lachte Billy T. am anderen Ende der Leitung.
»Dussel. Ich bin mit Deep Throat verabredet. Das kannst du Cecilie ruhig erzählen.«
Jetzt waren die Kopfschmerzen mörderisch; sie preßte die Fingerspitzen gegen ihre Schläfen und beschloß, in die Stolmakersgate zu gehen und eine Runde zu schlafen.
11.15, Odins gate 3
Die Leute von der Spurensicherung waren am Vorabend stundenlang dort gewesen. Überall hatten sie ihre winzigen Zeichen hinterlassen; kaum merkliche Hinweise darauf, daß diese Wohnung von Leuten, die nicht dort wohnten, auf den Kopf gestellt worden war, auch wenn sie alles wieder aufgeräumt hatten. Abgesehen von dem leeren Pillenglas mit der Aufschrift »Sarotex 25 Milligramm«, das neben einem halbvollen Glas Wasser auf Grindes Schreibtisch gestanden hatte, und dem Bettzeug, das auf eine genauere Untersuchung wartete. Billy T. stand mit einem kurzen Untersuchungsbericht in der Hand mitten im Zimmer. Der Tote war im Bett gefunden worden, nur mit Boxershorts bekleidet. Nichts wies auf einen Einbruch hin, die Tür war von innen abgeschlossen gewesen, die Sicherheitskette vorgelegt. Die Mutter des Verstorbenen hatte einen Schlosser angerufen, als sie die Tür nicht öffnen konnte, doch der hatte dann geistesgegenwärtig zuerst die Polizei verständigt.
Billy T. faltete den Bericht zweimal zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. Er hatte sich seine Anwesenheit erquengelt; Tone-Marit war ihm noch etwas schuldig gewesen, schließlich hatte er auf ihren Wunsch den Wächter verhört.
»Sarotex?« fragte er Tone-Marit. »Hat der Bursche Antidepressiva benutzt?«
»Sieht eigentlich nicht so aus«, antwortete sie. »Er weiß einfach, wie man’s macht. Er hat zwei Valium genommen, um sich zu beruhigen, und danach eine Handvoll Sarotex. Die Packung hat er am Freitag gekauft. Er hatte das Rezept auf den Namen seiner Mutter ausgestellt und hat in der Apotheke erzählt, sein Vater sei gerade gestorben, und die Mutter brauche für die erste Zeit ein Beruhigungsmittel. Er war ja schließlich auch Arzt. Solche Leute wissen, was sie brauchen, und fast alles bekommen sie in der Apotheke.«
Die Küche war das beeindruckendste Zimmer in der Wohnung. Die Schränke waren aus Kirschbaumholz, die Arbeitsflächen sahen aus wie dunkler Marmor. Ein breiter amerikanischer Kühlschrank mit Gefrierfach auf der einen und Kühlabteilung auf der anderen Seite war in einen der rotbraunen Kirschbaumschränke integriert. Aus einer Öffnung mitten im Gefrierfach konnte Eiswasser entnommen werden. Er öffnete die Tür. Die Päckchen im Gefrierfach trugen Aufschriften wie »Elchfilet, 1996«, »Preiselbeeren, 1995« und »Fettuccine, selbstgemacht, 20.März« und verhießen einen ebenfalls delikat gefüllten
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