Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Zimmer kapieren, wie schrecklich das alles ist.«
Billy T. beugte sich vor.
»Aber Sie sind nicht der einzige Mensch in der Weltgeschichte, der seine Mutter verloren hat. Also reißen Sie sich gefälligst zusammen!«
Wütend richtete Per Volter sich auf.
»Nein, aber ich bin der einzige hier, dessen gesamtes Familienleben in den Zeitungen breitgetreten wird.«
Jetzt weinte er, ein leises Weinen, unterbrochen von kurzem Schluchzen, er rieb sich immer wieder die Augen, aber das half nichts.
»Da haben Sie recht«, sagte Billy T. »Ich kann mir sicher nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist. Aber Sie müssen uns trotzdem unsere Arbeit tun lassen. Im Moment besteht unsere Arbeit darin, Ihnen und Ihrem Vater zu erzählen, wie weit wir mit unseren Ermittlungen gekommen sind. Wenn Sie zuhören wollen, gut. Wenn nicht, finde ich, daß Sie gehen sollten. Ich kann Sie zum Hinterausgang bringen lassen, dann umgehen Sie die Presse.«
Der junge Mann sagte nichts dazu, er weinte noch immer.
»He«, sagte Billy T. leise. »Per!«
Per Volter schaute hoch. Die Augen des Polizisten sahen seltsam aus; sie hatten eine helle eisblaue Farbe, die man eigentlich eher bei einem bissigen Hund oder in einem Horrorfilm erwartet hätte. Sein Mund jedoch verzog sich zu einem leisen Lächeln, das eine Art von Verständnis zeigte, wie Per Volter es seit dem Tod seiner Mutter vermißt hatte.
»Wollen Sie gehen oder lieber bleiben? Oder wollen Sie vielleicht in meinem Büro warten, dann können wir uns später unter vier Augen unterhalten?«
Per Volter rang sich ein Lächeln ab.
»Entschuldigung. Ich bleibe.«
Dann putzte er sich mit einem Papiertaschentuch, das der Überwachungschef ihm hingehalten hatte, die Nase, setzte sich dann gerade hin, schlug ein Bein über das andere und starrte den Polizeipräsidenten an, als frage er sich ungeduldig und überrascht, warum die Besprechung beendet zu sein schien, noch ehe sie wirklich angefangen hatte.
Es dauerte nicht lange. Der Polizeipräsident erteilte nach einer kurzen Einführung dem Überwachungschef das Wort, der sich ebenfalls ziemlich kurz faßte. Billy T. wußte, daß diese Informationen nach allen Regeln der Kunst ausgewählt worden waren, eigentlich erzählte Ole Henrik Hermansen so gut wie gar nichts. Interessant war höchstens, daß sich sein Mund auf ganz besondere Weise verzog, als er auf die Extremistenspur zu sprechen kam; er sah viel unsicherer aus als sonst.
Der Wächter, dachte Billy T. Sie wissen irgend etwas über den Wächter.
»Oh, Entschuldigung«, sagte er, als der Polizeipräsident dreimal seinen Namen genannt hatte, ohne daß er reagiert hätte. »Die Pillendose, ja, richtig.«
Er fischte eine kleine Plastiktüte aus der Jackentasche und legte sie vor Roy Hansen hin. Der Witwer hatte seit Pers Ausbruch kein Wort gesagt, und auch jetzt schwieg er. Er schaute sich die Plastiktüte an, ohne eine Miene zu verziehen.
»Kennen Sie diese Dose?« fragte Billy T. »Hat die Ihrer Frau gehört?«
»Die hab ich noch nie gesehen«, sagte Per Volter, noch ehe sein Vater antworten konnte.
Der junge Mann beugte sich vor und streckte die Hand nach der Tüte aus. Billy T. bedeckte sie blitzschnell mit der Hand.
»Noch nicht. Kennen Sie sie?«
Er zog die Dose aus der Tüte und hielt sie Roy Hansen hin.
»Die gehört uns«, flüsterte der Witwer. »Wir haben sie zur Hochzeit bekommen. Birgitte und ich. Ein Hochzeitsgeschenk. Das ist die Dose vom Foto.«
»Sicher?«
Roy Hansen nickte langsam und ließ die Dose nicht aus den Augen.
»Ich habe sie noch nie gesehen«, wiederholte Per Volter.
»Woher haben Sie die?« fragte Roy Hansen und hielt Billy T. seine Handfläche hin.
»Aus Benjamin Grindes Wohnung«, antwortete Billy T. und legte die Dose in Roy Hansens Hand.
»Was?«
Per Volter ließ seinen Blick vom einen zum anderen wandern.
»Bei diesem Richter?«
Alle Polizisten nickten eifrig, als wollten sie damit dieser Aussage ein besonderes Gewicht verleihen.
»Bei Benjamin Grinde?« sagte Roy Hansen. »Wieso denn das?«
Er blickte von seiner eindringlichen Musterung der kleinen Pillendose auf.
»Wir hatten eigentlich gehofft, daß Sie uns das erklären könnten«, sagte Billy T. und spielte an dem Diamanten in seinem Ohr herum.
»Keine Ahnung«, murmelte Roy Hansen.
»Nicht die geringste Vermutung?«
Die Verzweiflung war jetzt der Aggression gewichen. Roy Hansen sprach jetzt lauter.
»Vielleicht hat Benjamin sie ganz einfach gestohlen. Geklaut.
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