Im Zeichen des Schicksals
geführt. »Er ist ein ganz netter Kerl.«
Melissa zog die Stirn kraus. »Du weißt, dass ich das nicht meine.«
Ich strich mir mit den Händen durchs Haar und versuchte, nicht über ihre Frage nachzudenken. »Ist dir schon mal aufgefallen, dass er etwas zu verbergen scheint?«
»Was?« Melissa richtete sich kerzengerade auf.
»Ich meine, was weißt du schon über ihn? Möglicherweise ist er ja ein Serienmörder.«
»Ein was?« Melissa lachte. »Wow, das soll wohl ein Scherz sein, oder?«
»Na ja, ist doch wahr. Was weißt du denn über ihn?«, fragte ich ernst.
»Was ich über ihn weiß? Celine, das kann nicht dein Ernst sein! Ich meine, der Junge ist wirklich nett, er ist höflich, und er hält ständig nach dir Ausschau. Du wirst dich erinnern, dass ich nach dem Debakel bei Sandras Party mit dabei war. Er hatte Blut auf seinen Händen, weil er einen Jungen verprügelt hat, der versucht hat, dir etwas anzutun, er war erschöpft, er war zornig, und er hat mir trotzdem die Autotür aufgehalten!« Melissas Worte sprudelten immer schneller, je erregter sie wurde. »Wenn dich all das nicht davon überzeugt hat, dass er so ziemlich der perfekte Traumtyp ist, könnten wir zum Beispiel noch ergänzen, dass er sich gerade zum Narren gemacht hat, um dem neuesten von Sandra verbreiteten Unfug den Boden zu entziehen!«
»Okay, hab schon verstanden. Du hältst ihn für einen Gott!«, erwiderte ich, verärgert darüber, dass sie zwar recht hatte, dass aber alles, was sie vorbrachte, nicht zu dem passte, was sie nicht wusste.
Melissa ließ sich von meinem Sarkasmus nicht im Mindesten aus dem Konzept bringen. »Nenn mir einen einzigen Grund, warum du glaubst, dass er keiner ist.«
»Er hat gesagt, es sei ein Fehler gewesen.« Es war das Erste, was mir in den Sinn kam.
»Was?« Melissas Unterkiefer klappte förmlich herunter.
Selbst jetzt noch zuckte ich innerlich zusammen, wenn ich an diesen Moment dachte. »Er hat gesagt, es sei ein Fehler gewesen, mich zu küssen.«
»Ein was?« Melissa lachte. »Wow, er muss ja wirklich total auf dich stehen!«
»Ich weiß, dass … warte, was?« Ich sah sie an, überzeugt, mich verhört zu haben.
»Überleg doch mal! Wenn der Kuss nur so eine zufällige Sache nach dem Motto ›Ups, der Scheinwerfer hat uns erwischt‹ gewesen ist, warum sollte er dann sagen, dass er ein Fehler war?«, argumentierte Melissa schlüssig. »Ich meine, wenn er den Kuss nicht genossen hätte, hätte er ihn einfach mit einem Lachen abgetan. Und wenn er ihm gefallen hat, du aber für ihn bloß irgendein x-beliebiges Mädchen gewesen wärst, dann hätte er getan, was jeder andere Junge auf der Welt auch tun würde, und versucht, dich abzuschleppen.«
»Melissa!«, protestierte ich, und ihre Direktheit ließ mich erröten. Aber sie achtete nicht darauf. Ihr mathematisches Gehirn genoss diese logischen Schlussfolgerungen viel zu sehr.
»Er hat weder das eine noch das andere getan. Stattdessen hat er dich losgelassen und dir gesagt, es sei ein Fehler gewesen. Aber was war ein Fehler? Nicks Spiel mitzuspielen? Ein schönes Mädchen zu küssen? Nein, ich glaube, was ihm zugesetzt hat, war, ganz speziell dich zu küssen.«
»Womit wir wieder bei derselben alten Schlussfolgerung gelandet wären«, unterstrich ich. » Mich zu küssen war ein Fehler.«
Melissa versetzte mir einen spielerischen Knuff. »Das ist ganz und gar nicht dieselbe Schlussfolgerung! Wir haben bereits zwei mögliche Variablen ausgeschlossen.«
Variablen? Oh, verdammt. »Du weißt doch, dass Mathe mein schwächstes Fach ist, oder?«
»Ach komm, du verstehst schon, was ich sage! Wir wissen jetzt, dass es einen konkreten Grund gibt, warum Ian denkt, es sei ein Fehler, dich zu küssen. Es liegt jedenfalls nicht einfach daran, dass er nicht an dir interessiert wäre.«
»In Ordnung, nehmen wir einmal an, dass du recht hast«, antwortete ich im Bemühen, das Gespräch zu einem Ende zu bringen. Ich wollte wirklich nicht mehr über den Kuss reden. »Der Grund ändert gar nichts. Es ist, wie es ist.«
»Du bist so eine Zynikerin!«, schimpfte Melissa. »Die Bestandteile einer Gleichung machen allen Unterschied der Welt! Was, wenn er es zum Beispiel deshalb für einen Fehler gehalten hat, weil er einen Schnupfen hatte und er sich Sorgen gemacht hat, dass er dich anstecken könnte?«
»Ja genau, bestimmt war das der Grund.« Ich verdrehte die Augen und sah zu, wie Melissa, den Löffel voller Joghurteis, grübelnd nach weiteren Möglichkeiten
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