Im Zeichen des Schicksals
Notizheft verbrennen.«
»Meinetwegen, aber ich werde trotzdem immer die Wahrheit wissen«, versicherte er und stieg aus dem Wagen.
Ich unterdrückte meine Gewissensbisse und rief mir ins Gedächtnis, dass ich ihn aus gutem Grund belog. Die kühle, trockene Luft, die uns entgegenströmte, war beruhigend. Ich schloss die Beifahrertür hinter mir und hörte das Klicken der Zentralverriegelung, dann machten wir uns auf den Weg zum Schuleingang. Josh hob die Hand, um den Gruß zweier Jungen zu erwidern, die vor uns her die Treppe hinaufhetzten.
»Weißt du, ich glaube wirklich, dass ›Wahrheit‹ überschätzt wird.«
»Oh, jetzt hör aber auf.« Josh verdrehte die Augen und öffnete die Tür.
Als wir das Gebäude betraten, wusste ich, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich meine, es war sogar noch weniger in Ordnung als für gewöhnlich. Die Schüler auf den Fluren hörten alle plötzlich auf zu reden, als sie uns bemerkten. Binnen Sekunden herrschte eisiges Schweigen.
Josh wurde neben mir ganz still, und dann hörte ich ihn wütend nach Luft schnappen.
»Was zum Teufel soll das?«
Ich beobachtete mit wachsendem Erschrecken, wie er ein einzelnes Flugblatt vom Boden aufhob. Er überflog es schnell, dann sah er sich mit einem zornigen Ausdruck im Gesicht um.
»Was glotzt ihr so, geht weiter!« Plötzlich wurden alle wieder lebendig. Der Geräuschpegel war wieder normal, aber noch immer richteten sich von überallher Blicke auf uns. Auf mich.
Ich stand reglos, bemüht, meiner Fantasie nicht wild die Zügel schießen zu lassen, und wartete darauf, dass Josh mir sagte, was los war. Bestimmt noch mehr von diesem Kram von wegen Teufelsanbetung. Nachdem alle bei der Party so nett gewesen waren, hatte ich Sandras boshaften Klatsch beinahe vergessen, aber jetzt kam alles wieder zurück, und zwar schnell.
»Komm, gehen wir in den Unterricht.« Josh hatte nur ein angespanntes Lächeln für mich übrig.
»Lass es mich sehen«, sagte ich und weigerte mich standhaft, mich von der Stelle zu rühren.
»Celine, es ist nichts …«
Ich riss ihm das Blatt aus der Hand, und meine Augen weiteten sich, als ich mich selbst erkannte. Da waren zwei Fotos, eins von mir und Josh, wie wir auf Sandras Party tanzten, und eins von Ian und mir, wie wir uns küssten. Über die Bilder hatte irgendjemand die Worte getippt: SO VERZWEIFELT? SMITH, DIE SCHULSCHLAMPE, WIRFT SICH SCHARFEN KERLS AN DEN HALS .
»Das kümmert mich nicht.« Ich drückte Josh das Flugblatt wieder in die Hand und setzte mich in Bewegung. Nur eine Person kam als Urheberin dieses Blattes in Frage. Wie war sie an die Fotos herangekommen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass irgendjemand fotografiert hatte! Vor Übelkeit drehte sich mir der Magen um, aber ich durfte meinem Zorn nicht freien Lauf lassen. Es gab wichtigere Dinge, um die ich mich zu sorgen hatte. Erheblich wichtigere Dinge.
»Ich werde mich darum kümmern«, sagte Josh und beeilte sich, mit mir Schritt zu halten.
Sich darum kümmern. Na klar. Jeder, der nicht geglaubt hatte, dass ich dem Teufel huldigte, hielt mich jetzt für eine Schlampe! Und dieses Bild mit Ian … Ich hatte mich bemüht, nicht an diesen Kuss zu denken, und es war mir fast gelungen. Schließlich war es nicht nur mein erster gewesen und er hatte nicht nur einem möglicherweise gefährlichen Waffenbesitzer gegolten, der ihn obendrein auch noch als Fehler bezeichnet hatte, sondern er war auch noch so … schön gewesen. Und was zum Teufel verriet das über mich!?
»Sieh mal, irgendwer ist offensichtlich darauf aus, dich bloßzustellen. Du darfst ihm diese Genugtuung nicht geben«, betonte Josh und griff nach meiner Hand, damit ich mein Tempo verlangsamte. Ich blieb stehen und zog meine Hand weg. Das Letzte, was ich brauchte, waren weitere Gerüchte über mich. Was war aus meinem Plan geworden, möglichst unauffällig zu bleiben, bis ich herausgefunden hatte, wie ich Josh helfen konnte? Wann war alles nur so verdammt kompliziert geworden!?
»Mir macht das nichts aus, Josh, wirklich. Im großen Ganzen der Welt ist dieses Flugblatt völlig unbedeutend.« Ich glaube nicht, dass ich jemals wahrere Worte gesprochen habe. Wenn ich diese Wahrheit doch nur auch hätte fühlen können.
Josh wirkte unsicher, dann schob er die Hände in die Taschen und seufzte. »Hör mal, vertraust du mir?«
Ob ich ihm vertraute? Ja. Was die Frage aufwarf: Warum sagte ich ihm dann nicht die Wahrheit darüber, warum ich in der Stadt war? »Ja«,
Weitere Kostenlose Bücher