Im Zeichen des Schicksals
ich erfahren hatte, verbrachte Robert nicht viel Zeit in East Wendell, was bedeuten würde, dass ich bis zu seiner Ankunft warten musste. Nein, es war besser, an meinem bisherigen Plan festzuhalten. Betrachte jeden als gleichermaßen verdächtig, bis seine Harmlosigkeit erwiesen ist.
»Immer noch aufgewühlt von der Sache mit Ian?«, fragte Melissa mitfühlend.
Natürlich, das Debakel in der Mensa. Seit dem vergangenen Abend hatte ich nicht mehr daran gedacht. Ich schob alle Gedanken an Robert Beaumont beiseite und konzentrierte mich auf Melissa.
»Nein, wirklich nicht. Ich bin einfach müde. Aber du siehst heute Morgen sehr glücklich aus.«
»Das bin ich auch.« Sie grinste und folgte mir den Flur entlang. »Ich meine, irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht.«
Das verstand ich sehr gut. Ich fragte nicht weiter und umrundete eine Gruppe von Jungen, die irgendeine technische Spielerei begafften. Ich kannte Melissa inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie gleich erklären würde, was sie meinte, und das vermutlich ausgesprochen detailliert. Ich musste ihr nur einen Moment Zeit geben.
»Ich meine, ich bin glücklich, weil ich bei meinem Beweis einen regelrechten Durchbruch hatte. Was wirklich total aufregend ist! Aber meine nervige kleine Schwester hat alldem einen Dämpfer aufgesetzt, indem sie heute Morgen die idiotische Ankündigung gemacht hat, dass sie Kosmetikerin werden will. Kosmetikerin? Hätte ich gewusst, dass das dabei herauskommen würde, als sie diesen Teilzeitjob beim Friseur im Einkaufszentrum draußen an der Massachusetts Route 66 angenommen hat, hätte ich rechtzeitig protestiert.«
Und schon war alles heraus. »Was ist denn falsch daran, Kosmetikerin zu sein?«, fragte ich.
»Nichts!«, antwortete Melissa ausweichend. »Ich meine, sie kann schon irgendwas im Schönheitsbereich machen, wenn sie will. Sie könnte die Kunstakademie besuchen und Modedesign oder so was studieren. Oder, wenn sie Schönheitsartikel herstellen will, könnte sie Chemie studieren. Ich will nur, dass sie mit der Schule weitermacht.«
»Ja, sagt sie denn, dass sie die Schule abbrechen will?«, fragte ich weiter und versuchte, die verstohlenen Blicke zu übersehen, die mir die Schüler auf der Treppe zuwarfen.
Melissa schnaubte, als wir am Treppenende oben angelangt waren. »Nein, eigentlich nicht. Und kann mir bitte jemand erklären, warum ich dir ins falsche Stockwerk hinauf gefolgt bin?«
Ich lachte. »Keine Ahnung.«
»Mist! Na dann, bis später«, seufzte Melissa, drehte sich um und eilte wieder die Treppe hinunter. Ich ging weiter und hatte den Nietzsche-Raum schon fast erreicht, als mir Sandra den Weg versperrte.
»Da bist du ja!« Ihre vergnügte Stimme tat mir im Kopf weh. Und dann hakte sie mich unter und zog mich weiter.
»Wohin gehen wir?«, fragte ich, nachdem ich in Sandras Schlepptau den Flur entlanggetrottet war. Und wo waren ihre beiden ständigen Begleiterinnen, Missy und Elizabeth?
»Wir machen nur einen kleinen Spaziergang.« Sandra warf mir ein breites Lächeln zu. »Na, wie findest du unsere Schule?«
Sie wollte Small Talk machen? Mit einem innerlichen Seufzer beschloss ich mitzuspielen. Immerhin war sie Joshs Freundin. Es spielte keine Rolle, dass sie kein besonders netter Mensch war, ich musste jedenfalls nett sein.
»Es ist eine tolle Schule.«
»Gut, gut, und wie steht es mit unsrer Stadt?«
»Es ist sehr schön hier.« Worauf wollte sie hinaus? Plötzlich waren kaum noch Schüler auf dem Gang.
»Sandra, der Unterricht fängt gleich an …«
»Schon gut, entschuldige.« Sie blieb stehen. »Ich wollte nur ein wenig wettmachen, dass ich bisher ein bisschen gemein zu dir war. Mein Interesse zeigen, verstehst du?«
»Dein Interesse zeigen?« Ihre Schauspielerei konnte mich keine Sekunde überzeugen.
»Ja wirklich.« Sandra lächelte weiter. »Ich habe übrigens auch mit den Jungs gesprochen, und mach dir keine Sorgen: Sie werden niemandem von deiner Amnesie erzählen. Hat sich da eigentlich schon was getan?«
»Alles immer noch unverändert«, erwiderte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
»Ach, das ist auch wirklich ein Jammer.« Sie starrte auf ihre Fingernägel. »Wie auch immer: Ich habe beschlossen, morgen Abend eine Party zu schmeißen, nichts Spektakuläres. Und ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du auch kommen würdest.«
Was um alles in der Welt führte sie im Schilde? »Ähm, danke, ich überleg’s mir.«
»Super!« Mit übertrieben zur Schau gestellter
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