Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
am Herd und brät Schinkenspeck. Eine Hand ruht auf ihrem Bauch, der inzwischen enorm ist. Das Baby soll in sechs Wochen zur Welt kommen.
»Ist Daisy schon wach?«, fragt sie. Sie fuchtelt mit dem Pfannenheber in meine Richtung. »Ich werd sie heut mit nach Plymouth nehmen und will den Bus nicht verpassen.«
»Ich schau nach«, sage ich.
Ich gehe zurück ins Zimmer und wecke Daisy. Sie folgt mir schlaftrunken die Treppe hinunter, ihre Teddykatze hat sie an die Brust gedrückt. Inzwischen ist auch Dad in der Küche und gießt sich Kaffee ein.
»Du siehst schick aus«, sage ich.
Dad blickt auf. Sein Haar ist ordentlich gekämmt und er trägt seinen einzigen Anzug. Normalerweise bastelt er am Samstagmorgen, mit altem Pullover und Jeans bekleidet, an der Moana herum.
Dad blickt finster drein. Er deutet mit dem Kopf auf eine hellblaue Mappe, die auf dem Tisch liegt. »Ich treffe den Mann, der die Moana kaufen will«, sagt er.
»Unterschreib nichts, bevor du mich nicht das Kleingedruckte hast lesen lassen«, sagt Onkel Tom. »Schließlich möchtest du einen guten Preis fürs Boot.«
Ich setze mich und funkle Dad zornig an. Daisy lässt sich neben mich plumpsen und legt ihre Teddykatze auf den Tisch.
»Kannst du das mal wegtun?«, sagt Tante Bev. »Siehst du nicht, dass das Frühstück fertig ist?«
Daisy nimmt ihr Stofftier auf den Schoß und Dad legt die Mappe auf den Stuhl neben sich. Onkel Tom schneidet auf Daisys Teller Schinkenspeck und Spiegeleier zurecht. »War’s ’ne schöne Geburtstagsfeier gestern Nachmittag, Daisy?«
Daisy nickt und schaut mich an. »Ich und Kara haben die Vogellady gesehen«, sagt sie.
Onkel Tom runzelt die Stirn. »Die Vogellady?«
Ich nicke. »Miss Penluna.«
»Miss Penluna?« Tante Bev schnaubt. Sie wirft noch ein Stück Schinkenspeck in die Pfanne. »Diese verrückte alte Hexe? Ich wundere mich, dass sie sie herausgelassen haben.«
»Wo herausgelassen?«, frage ich.
Onkel Tom hustet und blickt Tante Bev an. »Sie war nicht gesund«, sagt er.
Daisy beugt sich über den Tisch und flüstert: »Sie hat gesagt, dass sie mit Engeln sprechen kann.«
»Verstehst du jetzt, was ich meine?«, sagt Tante Bev. Sie dreht die Hitze am Herd hoch und der Speck fängt an zu brutzeln und zu zischen. »Sie hat sich nicht verändert. Wusstet ihr, dass Muriel von der Post sie mal aufgesucht hat?«
Onkel Tom schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck Kaffee.
Tante Bev senkt die Stimme. »Muriel wollte mit ihrem Mann Ernie sprechen, auf der anderen Seite.«
»Auf der anderen Seite von was?«, fragt Daisy.
»Auf der anderen Seite vom Grab«, sagt Tante Bev.
Ich schaue Daisy an. Ihre Augen sind riesengroß.
Tante Bev sieht sich um, um sicherzugehen, dass wir ihr aufmerksam zuhören.
»Miss Penluna hat Muriel aufgetragen, etwas von Ernie mitzubringen, damit sie es den Engeln zeigen kann«, flüstert sie. »Nun ja, Muriel hat seinen Rentenausweis mitgebracht. Und wisst ihr, was nach Meinung dieser verrückten alten Hexe Ernies Botschaft aus dem Jenseits gewesen sein soll?«
Onkel Tom schüttelt den Kopf.
Nur das Ticken der Wanduhr ist zu hören.
Tante Bev verschränkt die Arme vor dem Bauch. »Sie hat gesagt, dass Ernie Muriel mitteilen wollte, sie solle aufhören,ihre große Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.«
Dad prustet in seine Kaffeetasse.
Onkel Tom versteckt sich hinter seinem Exemplar der Fishing News , aber ich kann ihn murmeln hören. »Vielleicht ist Miss Penluna am Ende doch nicht so verrückt.«
»Das ist nicht komisch«, schnaubt Tante Bev. »Ihr hättet sehen sollen, wie es in Miss Penlunas Haus aussah, als sie sie abholten. Völlig verdreckt. Überall lag Vogelmist – hat Muriel gesagt. In ihrem Wohnzimmer lebten sechs Krähen, um Himmels willen! Mich wundert’s, dass sie das Haus in ihrer Abwesenheit nicht niedergebrannt haben.«
Daisy kichert. »Sie hat uns erzählt, dass in ihren Abflussrohren Pinguine gelebt haben. Sie hat gesagt, dass sie im Sturm ihre Kaninchenlöcher nicht finden konnten.«
Tante Bev schiebt sich eine Scheibe Schinkenspeck in den Mund. »Seht ihr, was ich meine? Sie ist total verrückt.«
Ich spüle das Geschirr ab, während Tante Bev Daisy für den Ausflug nach Plymouth zurechtmacht. Mit Taschen und Mänteln hetzen sie aus dem Haus, wo Onkel Tom wartet, der die beiden zur Bushaltestelle an der Hauptstraße draußen vor der Stadt fährt. Ich winke Daisy zum Abschied.
Dann setze ich mich neben Dad und wir schweigen.
Weitere Kostenlose Bücher