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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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Ahnung. All die Jahre habe ich heimlich davon geträumt, einen Delfin zu retten, und jetzt weiß ich nicht, was zu tun ist. Ich lege meine Hand an seine Seiteund versuche, ihn zurück ins Meer zu rollen, aber da hätte ich genauso gut versuchen können, einen der Felsbrocken am Strand vom Platz zu bewegen. Das Tier ist an Land viel zu schwer. Mit einem explosionsartigen Luftstoß holt es Atem. Ich frage mich schon, ob ich ihm irgendwie wehgetan habe.
    Ich strecke den Arm aus und berühre noch einmal das weiße Gesicht des Delfins. Die Haut fühlt sich trocken und hart an, wie Gummi, der zu lange in der Sonne gelegen hat. Ich erinnere mich, dass man die Tiere nass halten und vor der Sonne schützen muss. All die Dinge, die mich Mum gelehrt hat, kehren schlagartig zurück. Ich weiß, dass der Körper des Delfinkälbchens hier draußen austrocknen kann. Ich springe hoch, renne von Fels zu Fels und rupfe Arme voll nassem Seetang von den Steinen. Ich verteile den Tang vorsichtig auf seinem Körper und achte darauf, dass sein Blasloch frei bleibt.
    Unter den Flossen grabe ich Löcher in den Sand, um den Druck wegzunehmen, der auf den Knochen lastet. Auf dem ausgeschaufelten Sand hüpfen Sandflöhe herum. Ich streife mir das Haar aus den Augen. Der weiße Delfin beobachtet mich immer noch.
    Ich zwinge mich dazu, die Wunde in seinem Maul zu untersuchen. Das Fischernetz hat sich tief in die Haut eingeschnitten. Ganz sanft versuche ich, das grüne Geflecht von den Zähnen abzuwickeln. Frisches Blut tropft in den nassen Sand. Als ich an den Netzfäden ziehe, patscht der Delfin mit der Schwanzflosse. Die Zunge ist aufgequollen und das Maulblutig. In diesem Zustand kann das Tier keinen Fisch fangen. Selbst wenn ich bei ihm bleibe, bis die Flut einsetzt, weiß ich nicht, wie der Delfin das überleben soll.
    Ich schöpfe mit meinen Händen Wasser und lasse es über die Wunden fließen, aber ich weiß nicht, was zu tun ist, ich weiß einfach nicht, was zu tun ist.
    Das Muttertier ist mit der verebbenden Flut wieder ins tiefe Wasser geglitten. Man kann es nicht mehr rufen hören, dazu ist es zu weit weg. Der weiße Delfin hat die Augen geschlossen. Ich lausche nach Atemgeräuschen und zähle in Gedanken die Sekunden, aber ich höre nichts. Ich weiß nicht, wie lange das Tier so ausharren kann.
    »Wach auf !«, rufe ich und klopfe mit den Fingern auf die Flanke. Durch das Blasloch schießt Luft nach draußen. Der Delfin öffnet ein Auge und schaut mich an. Er darf nicht einschlafen. Delfine schlafen nicht. Wenn er einschläft, dann wird er sterben. Ich erinnere mich daran, wie Mum mir erzählt hat, dass jeder Atemzug eines Delfins ein bewusster Akt ist. Menschen müssen nicht daran denken zu atmen, Delfine aber schon. Delfine, die in Gefangenschaft leiden, können sich entschließen, nicht mehr zu atmen. Sie können sich entschließen zu sterben.
    Und ich will nicht, dass dieses Tier stirbt.
    Ich tauche meine Jacke ins Wasser und wringe sie über seinem Rücken aus. Außerdem spreche ich mit ihm. Ich erzähle ihm, dass es mit seiner Mutter wieder durchs Meer schwimmen wird.
    Als ich den Sand rund um seine Augen und das Maul abwische, beobachtet mich das Delfinkälbchen genau. Irgendwie spüre ich, dass ich es am Leben erhalte.
    Ich weiß, dass ich Hilfe holen muss, aber ich kann es nicht alleine zurücklassen.
    Am Klippenrand über mir krächzen die Raben.
    Ich presse meinen Kopf an seinen und schließe die Augen.
    Ich weiß nicht, was zu tun ist.
    Ich weiß einfach nicht, was zu tun ist.
    »KARA!«
    Ich schaue hoch und falle rückwärts in den nassen Sand.
    Irgendjemand stolpert im Tauchanzug und mit fluoreszierender Rettungsweste durch das seichte Wasser auf mich zu.
    Ich kann’s nicht glauben.
    Im Gegenlicht sehe ich nur eine Silhouette, aber ich weiß sofort, wer das ist.
    »Wie kommst du denn hierher?«, frage ich.

Kapitel 18
    Felix bleibt im Flachwasser stehen und blickt erstaunt hinauf zu den senkrechten Klippen hinter mir. »Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagt er. »Ich habe gerade zu Dad gesagt, dass du das hier am Strand bist.« Hinter ihm kommt sein Dad von einer kleinen Segeljolle aus auf uns zu geschwommen. Das Boot liegt in der Bucht vor Anker.
    Felix kniet sich neben das Delfinkälbchen. »Was ist denn hier passiert?«
    Ich knie mich neben ihn. »Es hat sich in einem Fischernetz verfangen.«
    »Ist es noch am Leben?«
    Ich nicke. »Gerade noch so.«
    Hinter uns höre ich Felix’ Dad durch den Sand waten. Auch er

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