Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
einzuholen und die Moana in Ordnung zu bringen«, sagt Mr Andersen.
Dad lächelt. »Wir kriegen das schon hin. Geht nur nach Hause. Kara und ich warten, bis die Flut kommt, und bringen das Boot zum Liegeplatz.«
Mr Andersen schüttelt Dad kräftig die Hand. »Also, danke, Jim. Es war toll. Wir bleiben in Kontakt.«
Felix steht auf und stützt sich an der Moana ab. Sein Dad hilft ihm raus, auf die grob in die Kaimauer gehauenen Stufen. Felix öffnet den Mund, als ob er etwas sagen wollte, dreht sich dann aber um, umklammert das rostige Geländer und hebt einen Fuß auf die nächste Stufe. Mr Andersen wirft seine Tasche über die Schulter und folgt ihm, während Mrs Andersen sorgenvoll nach unten blickt.
Ich mache auf der Moana klar Schiff und wische die Salzkruste von Deck. Dann hilft mir Dad, den zerstörten Hummerkorb in eine leere Stofftasche zu stopfen. Er schleudert die Tasche auf den Boden und seufzt. »Es ist ja nicht so, dass wir sie noch brauchen könnten.«
Ich putze die Krümel von den Bänken und werfe sie ins Hafenwasser. Kleine Fische huschen nach oben und holen sich die Brösel. »Glaubst du, dass Mr Andersen sie kauft?«
»Wir werden sehen«, sagt Dad. »Er wird mit seiner Frau reden und mich dann anrufen.«
Wir müssen noch eine Stunde auf die Flut warten und gleiten dann langsam zum Liegeplatz. Als sich die Löcher der Wattwürmer mit Wasser füllen, hört man es überall im Schlick blubbern und saugen. Zwei Austernfischer rennen am Küstenstreifen auf und ab und halten nur an, um ihreorangefarbenen Schnäbel tief in den Schlamm zu stecken. Ich helfe Dad, die Moana rüber zum Liegeplatz zu paddeln, und sehe, wie das Ruder das stille Wasser aufwirbelt.
»Das war ’ne gute Ausfahrt heute«, sage ich. »Die Moana ist prima gesegelt.«
Dad lächelt. »Sie lässt uns nie im Stich, stimmt’s?«
Ich nicke, werde aber das Gefühl nicht los, dass wir sie gerade im Stich lassen.
Müde und von der Sonne gebräunt, gehen wir am frühen Abend durch die Stadt, zurück zu Tante Bev. Ich lümmle mich aufs Sofa. Daisy guckt im Fernsehen eine Spielshow und Tante Bev strickt Babyschühchen. Ich bewege mich kaum, bis das Telefon läutet. Ich spitze die Ohren, um zu hören, mit wem Dad spricht, dabei möchte ich es eigentlich gar nicht wissen. Tante Bev legt das Strickzeug weg und blickt zur Tür.
Dad kommt herein, setzt sich neben mich und fährt sich mit der Hand durchs Haar.
Tante Bev stellt den Fernseher leiser. »Und?«, fragt sie.
Dad schüttelt den Kopf und legt die Stirn in Falten. »Mr Andersen will sie nicht kaufen.«
Ich setze mich auf. »Was?«
Tante Bev blitzt ihn wütend an. »Ich hab gleich gesagt, du hättest den Preis niedriger ansetzen sollen.«
»Das ist es nicht«, sagt Dad. »Mr Andersen schien ja begeistert, aber er hat irgendwas davon erzählt, dass er auf Felix gehört hätte, und davon, dass er ›das Richtige tun muss‹.«
Tante Bev rafft ihr Strickzeug zusammen. »Hoffen wir,dass du bald einen anderen Käufer findest, Jim. Das ist der einzige Weg, deine Schulden abzuzahlen.« Sie schüttelt den Kopf und stellt den Fernseher wieder lauter.
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Vielleicht war es ja der weiße Delfin, den ich unter den Bugwellen gesehen habe. Mr Andersen hat seine Meinung geändert. Er will die Moana nicht mehr kaufen.
Die Moana gehört uns noch.
Wenigstens fürs Erste.
Kapitel 16
Nach der Schule sitze ich in Mrs Carters Büro. Sie beobachtet mich dabei, wie ich einen Klebestreifen über die letzte der herausgerissenen Bibelseiten ziehe. Einige der Seiten wurden nie gefunden. Auf See geblieben. Vermutlich ertrunken.
Ich klappe die Bibel zu und schiebe sie über den Tisch. »Tut mir leid«, murmle ich.
Der Unterricht war vor einer halben Stunde zu Ende. Durch das Bürofenster sehe ich einige aus meiner Klasse im Park hinter den Schultoren spielen. Jake sitzt neben Ethan. Beide wirbeln auf dem Karussell für die Vorschulkinder herum.
Mrs Carter beugt sich nach vorn. »Kara, wusstest du, dass ich deinen Vater gebeten habe, heute zu mir zu kommen?«
Ich nicke. Dad hat mir erzählt, dass sie mit ihm über Jake Evans’ gebrochene Nase sprechen will.
»Und du weißt, dass ich, obwohl ich volles Verständnis für deine Situation habe, keine Gewalt in der Schule dulden kann?«
Ich nicke noch einmal.
»Ich habe deinem Vater gesagt, wenn so etwas noch einmalgeschieht, haben wir keine andere Wahl, als dich von der Schule zu verweisen.«
Ein Teil von
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