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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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Hand umklammert. Ich klopfe.
    Auf der anderen Seite scharrt etwas an der Tür. Dann herrscht Stille. Ich klopfe noch einmal. Vielleicht ist Miss Penluna wieder unterwegs, um die Möwen zu füttern.
    Ich drehe ganz sachte den Türknopf. Die Tür knarrt und geht nach innen auf. Ein Sonnenstrahl durchschneidet die Dunkelheit und trifft auf einen mit Steinplatten gefliesten Flur.
    »Hallo?«, rufe ich.
    Im Häuschen ist es still. Ich trete ein und muss fast würgen. Ein stechender Geruch steigt mir in Mund und Nase und brennt in den Augen. Es riecht wie an den Klippen des Gull Rock, wenn zur Brutzeit die Felsen voller Vögel sind.
    »Mach die Tür zu!«
    Eine Wolke aus Vogelfedern weht mir ins Gesicht und dann knallt die Tür zu. Im Dunkeln sehe ich vor mir die kleine Gestalt von Miss Penluna stehen.
    »Du kannst ihn nicht mitnehmen«, sagt sie. »Er ist nicht gesund.«
    »Wen mitnehmen?«, frage ich.
    Sie betrachtet mich aus der Nähe. »Kommst du vom Sozialamt?«
    »Ich bin Kara. Wir sind uns am Strand begegnet.«
    Auf den Steinplatten neben mir höre ich ein Kratzen. Eine Dohle hüpft auf eine andere Tür zu.
    »Du kannst nicht bleiben«, sagt Miss Penluna.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sage ich.
    »Verschwinde!« Sie öffnet die Tür und versucht, mich hinauszuschubsen.
    »Bitte« , sage ich, »ich brauche Ihre Hilfe!«
    Sie drückt die Spitze ihres Stockes gegen meine Brust und hält inne.
    »Ich hab was, was ich den Engeln zeigen muss.«
    Miss Penluna späht nach draußen, packt mit ihrer knochigen Hand meinen Arm und schließt die Tür. »Lange kannst du nicht bleiben.«
    Ich folge ihr in die Küche. Der Boden ist mit Zeitungen und leeren Porzellantellern übersät. Die Dohle flattert und hüpft auf den Tisch und beobachtet mich mit ihren blauen Glanzaugen.
    »Also, was willst du wissen?«, fragt sie.
    Ich drehe und winde die Muschelkette in meinen Händen. »Können Sie wirklich mit Engeln sprechen?«
    Miss Penluna zieht mit ihrem Stock einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzt sich. »Drunten im Ort glauben sie, ich bin verrückt.«
    Ich ziehe einen zweiten Stuhl hervor und setze mich ihr gegenüber an den Tisch. Das weiße Tischtuch ist mit Teeflecken und Vogelkot gesprenkelt.
    Sie streckt der Dohle einen knochigen Finger entgegen und streicht dem Vogel über den Schnabel. »In meinem Kopf hab ich sie immer singen gehört. Meine Mutter hat mir gesagt, dass das Engel sind.« Sie lehnt sich zurück und schüttelt den Kopf. »Jetzt hör ich sie nicht mehr so oft.«
    Ich schiebe die Halskette und den Memorystick mit dem Delfin über den Tisch. »Das gehört meiner Mutter«, sage ich.
    Miss Penluna dreht es in der Hand herum. Ihre Finger sind lang und dünn, fast wie Klauen. Sie zieht den Memorystick auseinander und beäugt den metallischen USB-Stift im Inneren. »Was ist das?«, sagt sie.
    »Ein Memorystick«, sage ich.
    Sie hält ihn sich vor die Augen. »Memories? Wessen Erinnerungen?«
    »So ist das nicht gemeint«, sage ich. »Das ist für einen Computer.« Ich frage mich, ob Miss Penluna jemals einen Computer gesehen hat.
    Sie verschließt den Stick und schiebt ihn beiseite. Vielleicht ist das Ding nicht gut genug für diesen Zweck. Miss Penluna ist überhaupt nicht daran interessiert. Die Dohle versucht, den Stick anzupicken, also lege ich ihn auf meinen Schoß und warte.
    Miss Penluna beugt sich nach vorn. »Was willst du denn wirklich wissen?«
    Mein Gaumen wird trocken. Mein Kopf ist leer. Ich schließe die Augen und versuche nachzudenken.
    Die Dohle trippelt über den Tisch.
    »Ich möchte wissen, was passiert ist«, sage ich. »Ich möchte wissen, was in der Nacht geschah, in der Mum verschwunden ist.«
    Als ich die Augen wieder öffne, schaut mich Miss Penluna immer noch an. Sie streicht ihr dünnes Haar aus dem Gesicht. »Die Frage ist: Bist du bereit?«
    Ich umklammere den Memorystick und nicke. Ich bin bereit, die Wahrheit zu erfahren. Ich habe das Gefühl, dass ich am Rand einer Klippe stehe, in die Tiefe schaue und kurz davor bin abzustürzen.
    »Du musst auf die Delfine hören«, sagt Miss Penluna.
    Ich schüttle den Kopf und blicke sie erstaunt an. Ich habe gedacht, dass ich von ihr eine Antwort bekomme, eine eindeutige Antwort. »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sage ich.
    Miss Penluna zuckt mit den Schultern. »Sie sind die Engel des Meeres.«
    Ich lehne mich zurück. Irgendwie fühle ich mich getäuscht, als ob ich meine magische Frage aufgebraucht habe und mich jetzt auch noch andere

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