Im Zimmer wird es still
bei der Erinnerung. »Ich habe zwei Stiegen Äpfel für uns mitgenommen.«
»Schön.«
Als sie zusammen die Stiegen hineintrugen, hatte die Nachbarin ihn gefragt, wie es Peter ginge. Er wusste nicht gleich eine Antwort, was sollte man sagen: geht so, den Umständen entsprechend, unverändert? Sie hatte angeboten, dass er jederzeit kommen könne, wenn etwas sei, dass sie auch mal bei Peter bleiben könne, wenn er etwas Zeit für sich brauche. Er spürte, dass es nicht nur so dahingesagt war, konnte aber nur unverbindlich ›Ja, danke.‹ sagen.
Er nimmt einen großen Schluck Kaffee, Peter lächelt ihn an. Die Sonne war schräg durch die Kronen der Apfelbäume gefallen, die Kinder hatten laut gelacht. Die Äpfel fühlten sich klebrig an und warm, wenn sie eine Weile in der Sonne lagen mit ihren roten Backen. Er schweigt, wie soll er Peter davon erzählen? Vielleicht wäre es traurig für ihn, weil er nicht hinausgehen konnte und es sich ansehen.
Er schaut zum Fenster hinaus. Es ist eigentlich zu schönes Wetter, um drinnen zu sitzen, vielleicht bleibt es nicht mehr lange so. Er trinkt seinen Kaffee aus, berührt flüchtig Peters Hand und geht noch einmal hinaus. Flieht von dem Platz neben Peter, an dem das Leben still steht, eingefroren und ohne die Lebendigkeit, die es draußen hat.
Er setzt sich auf die Bank neben den Oleander, entspannt sich. Schließt die Augen, die Sonne wärmt sein Gesicht, dringt durch seine Lider. Er lag auf dem Rücken am Strand, die Sonne explodierte orangerot auf der Innenseite seiner Lider. Er linste mit einem Auge Richtung Wasser, folgte Peters Silhouette, die langsam größer wurde. Schloss die Augen. Peters Körper nah an seiner Seite.
»Du warst ja unersättlich letzte Nacht«, sagte Peter.
Er ließ die Augen geschlossen, ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
»Habe ich dich überfordert?«
»Ach, ich gleiche die Schwäche meines Alters mit Technik aus.«
Er grinste genüsslich: »Das finde ich auch«, setzte seine Sonnenbrille auf, die Augen immer noch geschlossen. Peter presste die Lippen auf seinen Arm. Er fühlte sich angenehm müde, die Sonne ließ jede Bewegung überflüssig erscheinen. »Wonach steht dir heute Abend der Sinn?«, fragte er Peter anzüglich.
»Wir sollten wieder in dieses fantastische Restaurant gehen. Ich esse Entenmousse mit Sherrysauce, dann Kalbsniere in Madeira und eine Crème br û lée. Dazu trinke ich eine Flasche Rotwein, wanke ins Bett und werde keinen Schritt mehr tun.«
»Musst du ja nicht. Ich setze mich einfach auf dich und fessle deine Hände ans Bett, nur zur Sicherheit. Und dann …«
»Ja?«
»Dann werde ich dich langsam, ganz langsam, in den Wahnsinn treiben.« Peters Hand war heißer als die Sonne. Hinter seinen Lidern begann es zu flirren. Ihr Lachen flog über den Strand hinweg und verlor sich in der Weite des Meeres.
5
Peter blickt aus dem Fenster, als er hereinkommt: »Warst du draußen? Die Sonne ist schön, nicht wahr?«, fragt er, ohne sich zu ihm umzudrehen.
»Ja.« Er tritt näher, bleibt am Fußende des Bettes stehen. Er scheut sich, neben Peter zu treten und ihn aus seinen Gedanken zu reißen. Sein Blick fällt auf die hintere Seite des Bettes. Der Beutel, der dort hängt, ist zum Bersten voll. Er hat vergessen, ihn auszuwechseln. Der Urin hat sich schon gestaut. Er erschrickt. Tritt schnell ans Bett und nimmt den Beutel ab. Urin tropft auf den Boden. Er hat vergessen, den Katheterschlauch mit einer Klammer zu verschließen. Will es nachholen, weiß aber nicht wohin mit dem vollen Beutel. Gelähmt steht er da, starrt auf die kleine Pfütze, die sich auf den Dielen bildet.
Peter hat genau mitbekommen, was passiert ist, streckt die Arme aus und sagt: »Komm her.«
Er blickt noch einmal unschlüssig auf den Beutel. Lässt ihn fallen. Flüchtet in Peters Arme.
»Es tut mir leid, dass du das alles machen musst«, flüstert Peter.
Er spürt etwas Feuchtes an seiner Wange und merkt, dass Peter weint. Er hält Peter fest, streicht über seinen Kopf, versucht ihn zu trösten. Merkt, wie gut es ihm selbst tut. Wie lange es her ist, dass sie sich umarmt haben.
Sein Rücken beginnt zu schmerzen, weil er in einer unbequemen, gebeugten Haltung dasteht, aber er will um nichts in der Welt loslassen. Er küsst Peter auf den salzigen Mundwinkel. Sie blicken sich in die Augen, ruhig jetzt. Peter legt die Hand an seine Wange, dann lösen sie sich voneinander.
Er steckt den Beutel in eine Mülltüte. Wischt die kleine Pfütze
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