Im Zweifel suedwaerts
Ich will für immer mit ihr sein. Ich konnte alles sehen vor mein innere Auge: Sie wartet auf mich nach lange Tag, sie säugt meine Kinder …« Ich blinzelte angestrengt, um dieses Bild nicht in meinem Kopf zustande kommen zu lassen. »… sie ist an meine Seite immer und hilft. Das war Liebe, sofort. Und als sie mir sagt: Ich liebe dich auch … Ahhh!« Er verdrehte verzückt die Augen gen Himmel. »Glück! Aber dann«, er sah mich ernst an, »ich gemerkt: Sie hat nicht immer meine Meinung, sie sagt ›Nein‹ öfter als ›Ja‹. Sie hilft nicht immer, sondern guckt Serie im Fernsehen. ›Sturm der Liebe‹, kennst du?«
»Ich hab davon gehört«, antwortete ich. Offenbar war heute der Tag der Telenovela.
Er nickte und fuhr fort: »Wenigstens hat sie die Kinder gesäugt.«
»Prima«, sagte ich und versuchte, an etwas anderes zu denken.
»Warum ich dir das erzähle?« Ja, das fragte ich mich in der Tat. Vor allem der Teil mit dem Säugen erschloss sich mir noch nicht ganz. »Ich dir sage: Ich war enttäuscht. Ich fragte: Warum habe ich diese Frau? Sie bringt mich um den Verstand! Alles, was ich geträumt habe, nichts ist so gekommen. Aber dann habe ich gemerkt …«, er hob den Zeigefinger, denn jetzt kam die Moral der Geschichte, »egal! Es ist Liebe. Auch wenn alles ist anders, als ich es geplant hab. Auch wenn sie an Samstag, wenn Laden voll ist, unbedingt zu Haarentfernung gehen muss und ich allein die ganze Arbeit habe. Ich liebe sie. Und so bleibt es.«
»Das ist gut.« Richard ging mit dem Thema Haarentfernung jedenfalls nicht so locker um, wie ich ja erst kürzlich hatte herausfinden dürfen.
Der höfliche Türke war aber noch nicht fertig. Er beugte sich verschwörerisch zu mir vor. Es war Zeit für das große Finale. »Es ist ganz einfach: Du musst immer den Menschen lieben, nicht die Idee von eine Beziehung mit diesem Menschen. Denn sonst, wenn Dinge anders kommen, als du gedacht hast, und schlecht werden oder schwierig, denkst du: Es ist alles ein großer Fehler. Aber wenn du mit dem Menschen bist, den du liebst, dann sagst du: Es ist alles schlecht und schwierig auch. Aber ich bin zusammen mit richtiger Person. Und deswegen stell ich dir die Frage: Was ist mit Liebe?«
»Ich hab keine Ahnung.«
»Du weißt doch sonst immer alles!«
Marco hob abwehrend die Hände. »Falsch. Ich rede bloß immer nur dann, wenn ich was weiß. So entsteht der Eindruck.«
»Pff.« Betty stützte unbefriedigt ihr Kinn in ihrer rechten Hand ab und sah mich fragend an.
»Ich weiß es auch nicht, Betty.«
»Schätzeleins, das kann doch nicht sein! Der 25. April ist hier eine ganz große Sache, davon muss einer von euch Schlaufüchsen doch irgendwann mal etwas gehört haben.«
Sie hatte schon recht. Erst die Brücke in Lissabon, jetzt der Name der Straße (Rua de 25 Abril) in der die Bar lag, vor der wir saßen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen, egal wo man hinsah, der 25. April war schon da. Aber ich war nicht nur sprachlich äußerst schlecht auf diese Reise vorbereitet gewesen, auch was die Landeskunde betraf, war mein Wissen beschämend. Über Portugal wusste ich eigentlich nur, dass man hier Portwein trank, und das auch nur, weil Betty mich immer wieder darauf hinwies und es mir gern demonstrierte: Ihr Glas war schon wieder leer. Auf der anderen Seite hatte ich, wenn man es genau nahm, überhaupt keine Chance gehabt, mich vorzubereiten. Schließlich hatte Betty sich vehement dagegen gewehrt, sich auf ein Reiseziel festzulegen. »Also, wenn ich vor der Abfahrt gewusst hätte, dass wir hier landen würden, hätte ich ein paar Reiseführer gekauft und mich informiert.«
»Hättest du nicht.«
»Dank deiner Geheimniskrämerei werden wir das jetzt nie erfahren.«
»Vielleicht, Schätzelein. Aber eigentlich brauch ich dich und deine Reiseführer gar nicht.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und grinste triumphierend. »Ich frag einfach Ana, wenn sie kommt.«
»Apropos, wo bleiben die eigentlich?« Marco suchte mit seinem Blick die Straße ab, als würden Lucy und Ana sich hinter der nächsten Ecke verbergen und nur auf sein Stichwort warten, um jetzt plötzlich in der Menschenmenge aufzutauchen. Taten sie aber nicht. Die Bardichte hier war hoch, und je später der Abend, desto mehr Menschen fanden sich ein. Das Publikum war ein bisschen anders als tagsüber. Weniger Gesundheitssandalen und Bauchtaschen, dafür mehr Backpacker und Surfer. Als ich mir deren von der Sonne ausgebleichte und vom
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