Im Zweifel suedwaerts
war mir peinlich, dass Betty sich ihm gegenüber so ätzend verhielt. Ich warf ihr einen durchdringenden Blick zu, der sie stoppen sollte. Daraufhin zündete sie sich eine Zigarette an, rauchte und schmollte gleichzeitig.
»Und?«, fragte Lucy, die sich inzwischen wieder gefangen hatte und wohl dachte, ein wenig Konversation würde die angespannte Stimmung auflockern. »Machst du auch Urlaub?«
»Ja«, antwortete Felix.
Mehr fiel Lucy nicht ein. Konversation war leider einfach nicht ihre Stärke. Sie warf mir einen hilflosen Blick zu.
»Bist du noch länger in Lagos?«, schaltete ich mich ein und war zu meiner eigenen Überraschung seltsam erfreut, als er sagte: »Noch bis Ende der Woche. Fünf Tage, dann geht’s wieder zurück.«
»Wir bleiben jetzt auch erst mal hier«, hörte ich mich sagen, »unser Bus ist kaputt.« Ich nahm wahr, dass Betty mich fassungslos von der Seite anstarrte. Ich nahm auch wahr, dass ich mich auf eine vollkommen unerwartete, ziemlich starke Weise zu Felix hingezogen fühlte, obwohl ich wusste, dass das aus so vielen verschiedenen Gründen falsch, falsch, falsch war, dass ich mich eigentlich selbst hätte ohrfeigen müssen. Vor versammelter Mannschaft. Betty hätte das bestimmt gefallen. Aber was kümmerte mich Betty, als Felix mich anlächelte und sagte: »Das trifft sich doch hervorragend. Dann sehen wir uns hoffentlich wieder.«
Meine Knie gaben ein wenig nach.
»Hast du morgen Abend schon etwas vor?«, fragte er mich.
Ich schüttelte debil lächelnd den Kopf. Ich konnte nicht sprechen. Betty schlürfte provokant an ihrem Portwein.
»Na, das passt doch. Sagen wir, morgen hier? Um zehn? Ich hab vorher noch ein Essen mit der Tauchschule, aber ich würde dich wirklich gern sehen …«
»Ich dich auch«, flüsterte ich. Meine Stimmbänder waren so labberig wie meine Knie.
Betty machte »Ts!«
»Okay, also dann … Ich glaube, ich bin hier nicht erwünscht.« Felix gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und winkte noch einmal, als er sich durch die Tischreihen gekämpft und die Straße erreicht hatte. »Bis morgen!«, rief er.
»Ja, bis dann!«, rief ich zurück.
»Ich fass es nicht!« Betty nahm einen großen, letzten Schluck Portwein und stellte das leere Glas mit einem Knall auf der Tischplatte ab. »Schätzelein, haben sie dir in den fünf Minuten, die du da in der Bar warst, das Gehirn durch die Nase rausgezogen, oder was stimmt nicht mit dir?«
Ich wischte mir das debile Grinsen aus dem Gesicht und stemmte wütend meine Hände in die Hüften. »Du bist echt unmöglich, weißt du das? Felix hat dir nichts getan, und du redest mit ihm, als hätte er deine Familie auf dem Gewissen.«
»Hat er auch. Quasi.« Betty zündete sich eine weitere Zigarette an. Sie war so aufgebracht, dass ihre Hände zitterten. Sie zog den Rauch ein und blies ihn mit einem Schnauben wieder aus. »Ich hab echt was Besseres zu tun, als dich schon wieder in Ordnung zu bringen, wenn der Typ zum wievielten Mal mit dir fertig ist? Zum zwölften?«
»Es wäre das vierte Mal, aber …«
»Er ist ein Spacken, und er bleibt ein Spacken. Und du bist auch ein Spacken. Jammerst wegen jeder Kleinigkeit über Richard, und dann kommt der Kerl, der dir innerhalb von wenigen Monaten mehrmals brutal das Herz gebrochen hat, und du wirfst dich ihm an den Hals, als wäre nie etwas passiert.«
»Mädels …«, versuchte Marco zu intervenieren, aber seine Chancen standen schlecht.
»Und wenn schon!«, unterbrach ich ihn. »Das geht dich gar nichts an. Bettina.«
»Das geht mich eine ganze Menge an, Daphne. Ich habe es nämlich satt, deine persönliche Trümmerfrau zu sein. Ich hab keinen Bock mehr, deine Hand zu halten, wenn mal wieder deine Welt zusammenbricht wegen irgendeinem Mann. Und schon gar nicht wegen dem da.« Sie nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette und drückte sie halb geraucht im Aschenbecher aus. »Anstatt endlich aufzuwachen und zu merken, was für ein Glück du mit Richard hast, lässt du jetzt dieses Arschloch wieder in dein Leben? Ist das dein Ernst?!«
»Wir gehen nur was trinken!«
»Genau.« Betty lachte trocken, bevor sie mir tief und durchdringend in die Augen sah und mit ernster Stimme fragte: »Was ist mit Richard?«
Was ist mit Richard? Was ist mit Liebe? Was sollten all diese Fragen? Wieso sollte das irgendjemanden außer mir überhaupt etwas angehen? »Ich weiß es nicht«, presste ich ungehalten zwischen den Zähnen hervor und griff nach meinem Long Island Iced Tea. Die
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