Im Zweifel suedwaerts
Eiswürfel waren inzwischen vollständig geschmolzen.
Stille legte sich über den Tisch. Betty starrte verbissen irgendwohin, Hauptsache nicht in meine Richtung. Sie tat mir fast ein bisschen leid, aber nur fast, weil ich von ihr mindestens genauso enttäuscht war wie sie von mir. Weil sie mich einfach nicht verstand und es auch nicht probierte. Weil ich wusste, dass ich nicht einmal versuchen musste, ihr zu erklären, wie verloren ich mich fühlte. Denn dann hätte sie, wie immer in solchen Situationen, gesagt, dass ich albern war und alles verkehrt sah. Sie verstand mich einfach nicht. Und das Schlimmste war: Irgendwie verstand sie mich nie.
Ich setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber und trank. Lucy schaute betreten auf den Tisch. Ana war diejenige, die irgendwann das Schweigen brach. »Meu Deus!« Sie seufzte erschöpft, als hätte sie gerade einen Dauerlauf beendet, und schob sich die Haare aus dem Gesicht. »Nicht falsch verstehen bitte, okay? Aber ›Remédio Santo‹ is nix dagegen.«
Damit war dann die Idee, in Skys Bus zu übernachten und den Urlaubs-Spirit so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, fürs Erste gestorben. Ich hatte Betty noch nie so sauer erlebt und keine Ahnung, wie lange sie brauchen würde, um sich wieder zu beruhigen. Eine Weile würde es sicher dauern, und ich hatte keine Lust, in dieser vergifteten Atmosphäre zu schlafen. Also nahm ich Marcos Einladung an, die Nacht in seinem Van zu verbringen, der am Straßenrand vor der Werkstattmauer parkte. Eine Mauer Sicherheitsabstand zwischen Betty und mir. War vielleicht besser so.
Ein weiterer Vorteil davon, übergangsweise bei Marco einzuziehen, war, dass er seine Bordbar in Lissabon aufgestockt hatte. Und so saßen wir, jeder einen Drink und eine Zigarette in der Hand, auf den Klappstühlen vor seinem mobilen Zuhause und betrachteten den Nachthimmel. Viel war da nicht los. Die üblichen Sterne, ein Mond, eine überschaubare Menge an Wölkchen. Die Grillen zirpten, eine Anti-Mücken-Kerze flackerte nutzlos im Wind, und durch das Beifahrerfenster drang leise Musik aus der Anlage. Pearl Jam, wenn ich das richtig hörte. Was hatten Jungs nur immer mit Jungs mit Gitarren? Ich dachte an Richard und seine Gitarre. Es löste nichts in mir aus, allerhöchstens wurde ich müde davon. Ich dachte daran, dass ich Felix am nächsten Abend treffen würde. Mein Magen spielte verrückt. Auf eine gute Art und Weise. Aber das durfte ich niemandem erzählen.
»Verzwickte Angelegenheit, gelle?« Das Ende von Marcos Zigarette glimmte vor seinem Gesicht auf.
»Was genau meinst du? Dass wir hier festsitzen? Den Streit mit Betty? Den Streit mit Richard? Dass ich morgen mit meinem Exfreund verabredet bin und mich deswegen alle scheiße finden?«
Ich hörte ihn neben mir im Dunkeln leise lachen. »Es ist schlimmer, als ich dachte. Armes Herzche.«
»Wirklich schlimm ist nur die Situation mit Richard. Weil ich nicht weiß …« Ich hatte keine Lust, das alles noch einmal durchzukauen. Ich tat ja jetzt schon seit vierundzwanzig Stunden kaum etwas anderes. »Ach egal. Jedenfalls baut alles andere doch darauf auf.«
»Der Bus ist kaputt, weil du dich mit ’m Richard gestritten hast?«
»Nein.« Ich seufzte ungeduldig. »Aber wenn zwischen ihm und mir alles okay wäre, hätte Betty sicher kein Problem damit, dass ich Felix treffe.«
Ich konnte es in der Dunkelheit nicht sehen, aber ich wusste, dass Marcos Reaktion auf diesen Satz ein skeptischer Gesichtsausdruck war. Das jedenfalls hätte zu seinem Tonfall gepasst. Der war auch skeptisch. »Meinst du? Ich glaube, die hat ganz allgemein etwas gegen den, egal, ob du nun eigentlich mit dem Richard zusammen bist oder mit der Beyonce oder mit wem auch immer.«
»Beyonce?«
»Ei, die fiel mir gerade so ein.« Marco kehrte schnell zum ursprünglichen Thema zurück. »Und könnte es eventuell sein, dass du gar nicht erst auf die Idee gekommen wärst, dieses Date mit Felix abzumachen …«
»Das ist kein Date. Wie oft soll ich das denn noch sagen?«
»Okay. Kein Date. Aber würd’st du den auch treffen wollen, wenn du ausnahmslos glücklich mit dem Richard wärst? Oder würdest du ihm dann nicht viel lieber dein Glück mit deinem neuen Freund in seiner ganzen Pracht unter die Nase reiben und ihm sagen, dass er sich seinen Drink sonst wohin stecken soll?«
»Marco! Du bist ja eine echte …« Ich suchte nach einem anderen Wort. Fand aber keins. »… bitch.«
»Ich versetz mich nur in deine Lage,
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