Im Zweifel suedwaerts
bisschen unterhalten. Über alte und neue Zeiten quatschen. Ganz unschuldig. Also raus mit der Wahrheit. »Nein, ich wohn da mit meinem Freund.« Ich beobachtete Felix’ Gesicht, wartete auf eine Reaktion. Sein Mundwinkel zuckte. Was hatte das zu bedeuten? Ich ruderte zurück. »Aber es läuft nicht gut im Moment, also, schon seit einer Weile …« Jämmerlich. Absolut jämmerlich. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Wer bitte gab solche Dinge im ersten Gespräch seit Jahren mit dem Exfreund freiwillig zu?
Aber die Antwort war weder hämisch noch schadenfroh. Felix nickte, und das sehr verständnisvoll, und sagte: »Kenn ich. Mit meiner Freundin ist seit zwei Monaten Schluss. Wir wollten eigentlich zusammen hier Urlaub machen. Wir haben damals die Reise gebucht, weil wir dachten, wenn wir mal ein bisschen mehr Zeit füreinander hätten, ganz entspannt, in der Sonne, am Meer …« Er zuckte mit den Schultern.
Ich spürte einen Stich und identifizierte ihn als Eifersucht. Wo die nach all den Jahren herkam, konnte ich mir nicht erklären. Aber sie war da. Alte Besitzansprüche vermutlich. »Wie heißt sie denn?«, fragte ich möglichst neutral.
»Eva.«
Ts! Eva. Die erste Frau. Von wegen.
»Wir waren ein Jahr zusammen, aber es wurde immer holpriger, und wir haben uns einfach nicht mehr vertragen. Einer war immer von dem anderen genervt, und wir kamen gar nicht mehr hinterher mit den Versöhnungen.«
Jetzt war ich an der Reihe, verständnisvoll zu nicken. »Genauso ist es bei mir und Richard auch.«
Felix malte nachdenklich mit dem Finger den Schriftzug auf seinem Bierglas nach. »Manchmal passt es einfach nicht. Egal, wie sehr man es sich wünscht.«
Ich musste schlucken. Aber mein Mund war trocken. Also half ich mit einem großen Schluck Cuba Libre nach. Die Bar, auf deren Terrasse wir saßen, war sehr schick und sehr teuer und bot einen einmaligen Blick auf den Hafen von Lagos. Im Hintergrund lief leise vor sich hin gluckernde House-Musik, und die anderen Gäste waren sehr edel angezogen und saßen auf weißen Lederhockern. Das war eigentlich nicht mein Ambiente. Das war eine andere Welt. Felix’ Welt. Wobei nicht ausgeschlossen war, dass ich mich daran gewöhnen könnte.
»Ich bin froh, dass ich dich hier zufällig getroffen habe«, sagte er plötzlich. »Kommt mir ein bisschen vor, als wäre es …«
»Ein Zeichen?«
Felix lächelte sein Lächeln, das ich immer schon gemocht hatte. »Oder Schicksal. Klingt albern, was?«
»Nein!«, beeilte ich mich zu sagen. Ich wusste, wohin das führen würde. Ich ermutigte ihn und war mir dessen zu hundert Prozent bewusst. Ich wollte, dass er weitermachte, auch wenn ich ihm dann folgen musste, dorthin, wo ich nicht sein durfte. »Ich hab auch schon gedacht …« Ich sprach nicht weiter, weil ich eigentlich die ganze Zeit etwas ganz anderes gedacht hatte. Dass ich es gar nicht so weit kommen lassen durfte. Das hatte ich gedacht. Dass ich stark genug war, dieses Treffen gar nicht erst zu einer Gefahr werden zu lassen. Dass das hier alles war, nur KEIN DATE! Aber Denken hatte plötzlich keine Priorität mehr.
Felix sah mir tief in die Augen, so tief, dass es fast schon unangenehm war. »Ich war ein kompletter Vollidiot damals. Keine Ahnung, was mit mir los war, wahrscheinlich war ich noch zu jung und blöd.« Er berührte meine Finger, ganz leicht, wie zufällig, und sah mich mit einem ernsthaften Ausdruck im Gesicht an, der jegliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit dessen, was er als Nächstes sagen würde, sofort im Keim erstickte. »Daphne, seit wir uns getrennt haben, frage ich mich ständig, ob es nicht der größte Fehler meines Lebens war, das zuzulassen. Ich habe seitdem keine Frau mehr getroffen, für die ich das empfinden konnte, was ich für dich empfunden habe …«
»Auch nicht für Eva?« Ich versuchte, es wie einen Witz klingen zu lassen, der die Situation auflockern sollte. Redete ich mir ein. Aber sich selbst verarschen ist irgendwie die erbärmlichste Form des Verarschtwerdens.
Felix schüttelte verlegen lächelnd den Kopf. »Nein, auch nicht Eva.«
Ha, Eva, nimm das!
Fast unmerklich krochen seine Finger über meine, den Handrücken hinauf, und er umfasste meine Hand mit seiner. »Und, na ja …«
In meinem Kopf zuckten Blitze, als wäre dort ein kleines, stilles Feuerwerk im Gang. Ich wusste, ich hätte hinterfragen sollen, wie es dann sein konnte, dass er all die Jahre nicht versucht hatte, mit mir in Kontakt zu kommen. Dass es
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