Im Zweifel suedwaerts
beichten, nicht auszudenken, wie ich ihm einen Ehering an meinem Finger erklärt hätte. Wobei sich die Frage stellte, ob ich ihm von diesem Abend überhaupt erzählen musste? Vielleicht war das gar nicht mehr nötig. Vielleicht interessierte es ihn überhaupt nicht mehr. O Gott, mein Kopf. »Verdammter Portwein.«
Felix schwang sich aus dem Bett und ging ins Bad. Wenig später hörte ich die Dusche plätschern. Ich nickte ein und träumte von einem Karussell. Ich wachte auf. Felix kam aus dem Bad und wuschelte seine Haare mit einem Handtuch trocken. Ich fühlte mich eklig. Ich wollte auch gern duschen. Aber dafür hätte ich aufstehen müssen. Und aufstehen …
Ein Kuss. Felix hatte sich wohlriechend und mit vom Wasser weicher Haut über mich gebeugt und mir einen Kuss gegeben. Einen ernst gemeinten Kuss. Der nicht ausgeführt war, wie ein erster Kuss nach drei Jahren Nicht-Küssen erwartungsgemäß ausgeführt wurde – etwas scheu aber doch erregt. Dieser Kuss, den Felix mir gab, beinhaltete eine gewisse Routine. Was eine Frage nahelegte. Nämlich diese: »Haben wir uns gestern geküsst, Felix? Sag mir die Wahrheit!«
Er lächelte verschmitzt und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Na klar, was denkst du denn? Wir haben doch Verlobung gefeiert.«
Entgeistert starrte ich ihn an.
»Was ist?«, fragte er.
»Das fragst du mich ehrlich?«
»Ich dachte, du hättest dich entschieden?«
In einer ungelenken Bewegung rollte ich mich aus dem Bett und stand nach einiger Mühe schwankend davor. »Wie soll ich denn bitte in so kurzer Zeit so eine große Entscheidung treffen, Felix?« Alles drehte sich. Das Zimmer, mein Exfreund oder was auch immer, ich, Lagos. »Ich kenn dich erst seit gestern wieder!«
»Vorgestern.«
»Von mir aus. Und ich hab nicht einmal mit Richard Schluss gemacht. Und ich weiß auch gar nicht, ob ich das überhaupt will …« Felix’ linke Augenbraue wanderte ein Stück nach oben. Ich hielt mich an einer Kommode fest. Falls ich mich übergeben musste, waren es schätzungsweise fünf schnelle Schritte bis ins Bad. Es war wichtig für mich, das zu wissen. Wenigstens das zu wissen. Ich glitt an dem Möbelstück hinunter auf den Teppich, kauerte mich zusammen und legte den Kopf auf die Knie. »Ich weiß gar nichts mehr!«, jammerte ich.
Ich hörte und spürte, wie Felix näher kam, einen Arm um mich legte und mir einen Kuss aufs Haar pflanzte. Das war so tröstend, dass ich mich nicht einmal weiter daran störte, dass er noch immer nackt war und dass Teile von ihm ganz in meiner Nähe ungehindert in der Gegend herumbaumelten.
Er streichelte meinen Rücken. Davon wurde mir dann doch ein wenig übel.
»Wollen wir einen Tag am Strand verbringen?«, flüsterte er in mein Ohr, und meine Nackenhärchen stellten sich auf. »Nur du und ich? Ich kenn da eine einsame Bucht …«
»Ich hab keinen Bikini …«, erzählte ich meinen Knien.
»Ich kauf dir einen.«
»… und mir geht es echt mies.«
»Okay.« Er ließ von mir ab und stand auf um sich endlich, endlich etwas anzuziehen. »Aber heute Abend darf ich dich zum Essen einladen, ja?«
Ich nickte, »okay«, und rappelte mich vom Boden auf.
»Soll ich dich jetzt irgendwohin fahren?«
»Ja. Zur Autowerkstatt.« Ich schloss die Augen, weil ich sowieso nur schwarz sah, und wartete, bis das Gefühl verschwunden war. »Also, irgendwo in die Nähe reicht.« Bettys Blicke zu ertragen, wenn sie Felix und mich zusammen sah, das hätte mir jetzt den Rest gegeben.
Und so setzte mein Exfreund mich etwas später wie gewünscht am Ende einer einsamen Straße am Stadtrand ab (etwa drei Minuten Fußweg entfernt von der Werkstatt von Anas Vater) und erinnerte mich noch einmal an unsere Verabredung für den Abend. Um neun Uhr vor seinem Hotel. Ich nickte zur Bestätigung, ließ mir den zweiten Kuss des Tages verpassen und beschritt meinen Weg der Schande, fünfhundert staubige Meter heißer Asphalt. Ich hatte schrecklichen Durst. Schön, dass die wirklich essenziellen Bedürfnisse manchmal die Macht besitzen, den ganzen anderen Kram für eine Weile aus den Gedanken zu verdrängen.
Betty und Marco hatten die Klappstühle in der Mittagssonne vor dem Bus aufgebaut und sich aus alten Reifen und Brettern aus der Gerümpelsammlung des Werkstatthofs einen provisorischen Tisch gebastelt. Darauf verteilt erkannte ich ein paar Ansichtskarten, einen Kugelschreiber, ein Heftchen Briefmarken und einen Joint. Außerdem zwei Gläser, eine Flasche Cola und eine Flasche
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