Im Zweifel suedwaerts
Da hab ich richtig Bock drauf. Noch so ein Gespräch.«
»Dann lass es eben, Daphne.« Und erstaunlich sanft und ruhig fügte er hinzu: »Schlaf gut. Ich liebe dich.«
Ich war sauer, und wenn ich sauer war, konnte ich nicht »Ich liebe dich« sagen. Also legte ich wortlos auf und war so erschöpft, dass ich es am liebsten Lucy gleichgetan hätte. Geheult hätte. Wie ein kleines Kind.
»Für Beziehungen, die eh im Arsch sind, sollte Telefonverbot herrschen.« Ich zog missmutig an der Zigarette, die Betty für mich gedreht hatte, und lehnte mich auf dem Beifahrersitz des VW -Busses zurück. Draußen, vor der Windschutzscheibe, lag das nächtliche Remscheid hinter einem Vorhang aus Regen.
»Welche Beziehung ist denn im Arsch?«
»Meine und Richards.«
Betty zog die Augenbrauen hoch und legte ihre Füße links und rechts neben dem Lenkrad auf das Armaturenbrett, sodass sie aussah wie ein Frosch. Oder ich beim Waxing. »Aber Schätzelein, eure Beziehung ist doch nicht im Arsch. Die ist ganz normal.«
»Von wegen. Ich kann mich nicht an den letzten Tag erinnern, an dem wir uns nicht in die Haare bekommen haben oder mindestens einer den anderen scheiße fand.«
Wenn ich erwartet hatte, dass Betty deswegen besorgt reagieren würde, wurde ich enttäuscht. Sie blieb ganz gelassen. »Nützt ja nix.«
»Wie, nützt ja nix? Ich weiß ja nicht, wie das bei dir so ist, aber ich habe eigentlich immer gedacht, dass Streit eine Beziehung kaputt macht.« Und Oma Mathilde im Übrigen auch, aber weil die Betty kein Begriff war, hielt ich sie aus der Diskussion raus.
»Überrascht mich nicht, dass du das denkst, du kennst dich mit Beziehungen ja auch nicht aus.«
»Was soll das denn heißen?!«
»Schätzelein, in Sechs-Monats-Beziehungen lernt man so etwas nicht, das hab ich dir schon mal gesagt. Du weißt solche Sachen einfach nicht.«
»Natürlich weiß ich solche Sachen! «, erwiderte ich empört.
»Nee, eben nicht. Bei dir ging’s doch bisher immer nur um Schmetterlinge. Und wenn die weg sind, ist für dich gleich die Beziehung vorbei.«
Ich drückte schmollend meine Zigarette im Autoaschenbecher aus. »Kann ich doch nichts dafür, dass die immer alle mit mir Schluss machen.«
»Vielleicht doch.«
Ich schnappte gekränkt nach Luft.
»Ist ja auch egal. Es geht ja jetzt um Richard und dich. Schluss mit Schmetterlingsgarten, Schätzelein, ihr seid jetzt im Dschungel. Ihr seid wie zwei Raubkatzen, die sich nur zum Paaren treffen.«
Nicht einmal das, ergänzte ich in Gedanken. Denn wenn ich nicht gerade zufällig in Richards Sexfalle tappte (und dazu war es bisher nur dieses eine Mal gekommen, denn das war eine brandneue Strategie), war in Sachen Paaren bei uns nicht viel los. Entweder hatte ich Lust, aber Richard war schon eingeschlafen oder noch beim Soundcheck. Oder Richard hatte Lust, aber ich nicht, weil ich mich den ganzen Tag über den Zustand unserer Wohnung hatte ärgern müssen und darüber jegliches Interesse an Sex irgendwie verpufft war. Dann las ich ein Buch, und Richard war genervt. Oder bei Soundcheck.
»Ganz schön haarige Sache«, fuhr Betty fort. »Ich meine, mit allen anderen streitet man sich ja auch und denkt nicht ständig darüber nach, ob man die jetzt nun nie wiedersehen will oder nicht. Aber in Beziehungen ist immer alles schwarz oder weiß. Entweder big love und bis zum Tod glücklich oder Trennung und nie wieder sehen und für immer hassen. Total bescheuert, wenn du mich fragst.«
»Es gibt Pärchen, die sich nie streiten.«
»Also, mir sind die unheimlich. Da muss doch mindestens einem von den beiden die Persönlichkeit wegamplutiert worden sein …«
»Amputiert. Ohne l.«
»Schätzelein, ich bin weder Deutschlehrerin noch Arzt. Aber eins weiß ich: Mo und ich sind seit neun Jahren beste Freunde und haben ein Kind, und manchmal haben wir Sex, und manchmal streiten wir uns, aber das läuft, und ich mach mir keine Sorgen.«
Ich runzelte die Stirn. »Du hast doch noch gestern gesagt, du glaubst, dass er eine Neue hat.«
»Ja. Das hab ich gesagt.« Betty drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und schaute eine Weile durch die Frontscheibe des Busses auf den dunklen Ziergarten, in dem die überlebenden Gartenzwerge friedlich schliefen. »Stimmt. Aber irgendwie ändert das nichts. Das zwischen mir und Mo ist eben so. Dann hat er eine Neue, na und? Dann fahr ich eben in den Urlaub und mach ein paar heiße Boys klar. Das ändert nichts daran, wie wichtig wir uns sind.«
»Bist du gar
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