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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Ich sammelte die Wasserflaschen auf, die auf dem Boden verstreut lagen. »Tja, dann mach ich mal Frühstück, was?«
    Betty hatte sich inzwischen die Hose wieder angezogen und schaute neben Marco aus dem Van, während sie sich die Pobacke rieb. »Schätzelein!«, rief sie überrascht. »Du schon hier?«
    »Ja. Allerdings.«
    »Ich hab mich auf eine Wespe gesetzt.«
    »Ich weiß.«
    »Machst du Rührei?«
    Ich schaute zu meinem Rucksack, der ein paar Meter entfernt auf dem Boden lag. Dann fing ich an, zu lachen, eine Weile noch im Stehen, dann musste ich mich irgendwann auf den Boden setzen und da weiterlachen, weil meine Knie nachgaben.
    »Sonnenstich?«, fragte Betty.
    Ich schüttelte den Kopf. »Rührei ist im Rucksack«, presste ich mühsam heraus.
    Zum Frühstück gab es Käsebrötchen.
    Am dritten Tag verzichtete Betty auf den Abendjoint und kramte stattdessen die Straßenkarte aus dem Handschuhfach. »Reiseplanung!«
    »Ei, ihr fahrt schon?« Marco wirkte bedrückt. Vielleicht würden auch Lucy und ich ihm fehlen. Ganz sicher aber vermisste er Betty schon jetzt. Auch wenn das einem einsamen Wolf wie ihm gar nicht ähnlich sah, hatten die beiden in den letzten Tagen einen ganz besonderen Draht zueinander entwickelt. Eigentlich machten sie alles zusammen und waren sich so nah, dass ich teilweise eifersüchtig wurde. Sie lachten über dieselben Dinge, waren so gut wie immer einer Meinung, und außerdem hatte er an ihrem Hintern gesaugt – wobei das nicht zu den Situationen gehörte, in denen ich mit ihm hätte tauschen wollen. Aber er schien es gern getan zu haben, was mich unter anderem stark vermuten ließ, dass zumindest von Marcos Seite ein romantisches Interesse bestand. Ob Betty sich auch zu ihm hingezogen fühlte, konnte ich nicht einschätzen. Vielleicht eher nicht, dafür machte sie ein bisschen zu häufig Witze über Marcos Dialekt und seine alles andere als ideale Figur. Und jetzt zum Beispiel bügelte sie seine enttäuschte Frage harsch ab, beugte sich über die Karte und erklärte, dass wir ja schließlich keinen Bus hätten, damit er die ganze Zeit nur rumstünde.
    Marco schluckte.
    Ich hätte ihn am liebsten getröstet, stattdessen half ich Betty bei der Planung und zeigte auf die Route Richtung Süden, die mir am kürzesten vorkam.
    Aber Betty war dagegen. »Wenn wir nicht in Skys Schrottkiste unterwegs wären, dann wäre das kein Problem. Aber leider sind wir in Skys Schrottkiste unterwegs, und für die ist die Strecke viel zu steil. Da kommen wir nicht rüber. Wir müssen zwar so oder so durch die Berge, wenn wir in den Süden wollen, aber je weniger Höhenmeter, desto besser. Solange wir diesen Bus fahren, ist Geschwindigkeit Nebensache. Da muss gelten: Der Weg ist das Ziel.«
    »Wie wär’s hiermit?« Lucy zeigte auf eine kleine, gewundene Straße mit relativ niedrigen Höhenangaben. »Das müsste doch gehen.«
    »Muss«, sagte Betty. »Muss gehen. Probieren wir morgen aus.«
    Marco sah aus, als würde er gleich weinen.
    Ich konnte mich nicht erinnern, schon jemals eine so schöne Strecke gefahren zu sein. Und Lucy konnte sich nicht erinnern, schon jemals beim Autofahren so seekrank geworden zu sein. Betty quälte den Bus durch das kantabrische Gebirge, nahm im Minutentakt Links- und Rechtskurven und fluchte, weil uns bergab auf der Gegenfahrbahn in unregelmäßigen Abständen Kleinwagen und Motorräder in einem Höllentempo entgegenkamen. Dagegen setzten wir zwanzig Stundenkilometer. Mehr war bergauf aus Skys VW nicht herauszuholen. Umso besser konnte ich die Landschaft genießen, den Blick ins Tal, beeindruckende Felsformationen und kleine Ansammlungen von Häusern, für die die Bezeichnung Dorf bereits übertrieben gewesen wäre. Und es gab Bäume und Büsche, Vegetation – eine erfrischende Abwechslung zu den kargen Feldern am Meer. Ich kurbelte das Fenster runter und machte Fotos von Kühen, die auf Plateaus grasten, und von Fernmeldemasten auf Bergspitzen. Zumindest so lange, bis Betty mir befahl, den Arm einzuziehen, weil wir im Kampf gegen die Höhenmeter jedes bisschen Aerodynamik dringend brauchten.
    »Ich glaube nicht, dass das einen Unterschied macht«, murmelte ich, kooperierte aber und beschränkte mich notgedrungen darauf, den Anblick zu genießen, der sich mir vor der Windschutzscheibe bot. »Atemberaubend, nicht?«
    »Mh-hm.« Betty konnte der Schönheit der Landschaft jetzt leider keine Beachtung schenken. Sie arbeitete konzentriert. Kupplung, Gas, der Motor röhrte,

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