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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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bisschen neugierig.«
    »Na, dann sag das doch!« Betty griff nach ihrem Geldbeutel, den sie auf dem Stehtisch abgelegt hatte, und wühlte zwischen Kleingeld und Mauttickets herum. Schließlich zog sie ein dreimal gefaltetes Foto aus dem Täschchen und legte es vor Marco hin. »Bitte schön.«
    Er nahm es, glättete die Falten und drehte sich zum Fenster, damit mehr Licht auf das Bild fiel. »Der ist ja wirklich süß.« Ich kannte das Foto und wusste, was er sah: den kleinen Max mit Mütze, der sich vergnügt lachend eine alte Stoffpuppe an den Bauch drückte, auf dem Schoß seines Vaters. »Das ist Mo?«, fragte Marco und tippte an betreffender Stelle auf das Bild, und es beeindruckte mich ein wenig, wie völlig frei von jedem Unterton er das sagte, obwohl er offensichtlich stark an Betty interessiert war und ihm der Anblick seines direkten Konkurrenten eigentlich das Herz brechen oder ihn zumindest ein wenig eifersüchtig machen musste. Männer waren so viel besser darin als Frauen, sich nichts anmerken zu lassen.
    Betty neigte sich zur Seite, um das Foto besser betrachten zu können, obwohl sie es natürlich in- und auswendig kannte. »Ja. Ist er«, sagte sie.
    »Nett«, sagte Marco.
    »Ja, ist er«, sagte Betty wieder.
    Nicht so nett wie Marco, dachte ich. In einer perfekten Welt würde Betty das vielleicht auch merken.
    »Hier sind eure Pullis, ich muss mal schnell«, rief Lucy im Vorbeigehen, beschmiss unseren Tisch mit Textilien und machte sich auf die Suche nach den Toiletten.
    Betty steckte das Foto wieder ein und fixierte eine Weile gedankenversunken die Tischplatte, die mit Zuckerkristallen, Brotkrümeln und Kaffeeflecken übersät war. Irgendwann konnte ich nicht umhin, sie zu fragen, ob alles in Ordnung sei, und sie sah mich an, als wäre sie gerade aus einem Traum aufgewacht. »Ich geh mal raus und ruf Max an.«
    »Tu das.«
    »Ja, mach ich«. Sie zog sich ihren Pulli über. »Ich bin draußen.«
    »Da brauchst du den Pulli nicht.«
    Aber das hörte sie schon nicht mehr.
    »Tja«, sagte ich. Marco zuckte mit den Schultern.
    Die Raststätte war gut besucht, in erster Linie von spanischen Familien, die wohl auch genug davon gehabt hatten, in der Mittagshitze im Auto zu sitzen. Der Geräuschpegel war relativ hoch, Kinder schrien durcheinander, Erwachsene unterhielten sich in schnellem Spanisch, und dann gab es da noch diesen Hubschrauber beziehungsweise die Miniaturversion eines Hubschraubers, der genau neben unserem Tisch stand, äußerst anstrengende Geräusche machte und dazu noch hektisch blinkte. So sollte er die Aufmerksamkeit kleiner Kinder auf sich ziehen, die dann wiederum ihre Eltern nötigen sollten, fünfzig Cent in den Schlitz zu werfen, damit der Hubschrauber mit dem Nachwuchs an Bord ein wenig hin und her wackelte und dabei noch mehr anstrengende Geräusche machte. Das war der Plan. Und er funktionierte.
    So wenig, wie man als Erwachsener diese Geräte leiden oder ihre Faszination begreifen konnte, so sehr liebten Kinder sie. Zum Beispiel der etwa vierjährige Junge, der in diesem Moment aufgeregt auf den Hubschrauber zugelaufen kam und etwas auf Spanisch brabbelte, das ich natürlich nicht Wort für Wort verstand, aber der Sinn war mir schnell klar. Sein Vater sollte gefälligst das Portemonnaie herausholen und ihm eine Minute Gewackel spendieren. Das tat dieser dann auch, ein schlauer Schachzug, denn genauso wie Miniaturhubschrauber konnten auch Kinder anstrengende Geräusche machen. Insbesondere dann, wenn sie nicht mit dem Miniaturhubschrauber spielen durften. Der Junge stieg ein, die Münze klapperte, und die Fahrt ging unter Piepsen und Getöse los.
    Ich schenkte Marco einen leidenden Blick.
    »Na, was ist los? Willst du auch mal?«
    »Ha, selbst wenn ich es schaffen sollte, mich in das Ding reinzuquetschen, bräuchtet ihr bestimmt einen Bolzenschneider, um mich wieder zu befreien.«
    »Oder wir lassen dich einfach hier und holen dich auf dem Rückweg wieder ab.«
    »Oh. Danke auch.«
    Sein Kopf nickte in Richtung Hubschrauber, neben dem sich gerade die Mutter des Nachwuchspiloten zu ihrem Mann gesellte. Einer anscheinend international gültigen Pärchenchoreografie folgend, legte er einen Arm um ihre Hüfte, und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. »Magst du Kinder?«
    »Ich?!« Was für eine Frage. Niemand, der keine Lust auf einen verlängerten Urlaub im sozialen Abseits hatte, gab offen zu, Kinder nicht zu mögen. Die Wahrheit war allerdings, dass ich keinen besonders guten

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