Im Zweifel suedwaerts
Männer kennenlernen.«
»Na, das soll einer verstehen …«
»Ich will nur einen Mann kennenlernen. Den einen, weißt du?«
Betty verdrehte die Augen.
»Irgendwann treffe ich den Mann, den ich heirate und mit dem ich zusammenbleibe, bis ich sterbe.«
Ich zog meinen Arm wieder ein. »Hast du ja vielleicht bereits.« Natürlich dachte ich dabei an Hannes.
Lucy auch. Deswegen auch ihr vehementes »Nein, hab ich nicht!«
Betty schüttelte fassungslos den Kopf. »Wie das schon klingt. Zusammenbleiben, bis man stirbt. Wie deprimierend das ist, da gleich mit dem Tod zu kommen. Da würde ich erst recht nicht den einen finden wollen, wenn dann quasi gleich alles zu Ende ist.«
»Aber bevor man stirbt, hat man ja ein schönes Leben zusammen. Und heiratet und bekommt Kinder und so.«
»Ein Kind hab ich auch«, sagte Betty und aschte aus dem Fenster. »Zählt das jetzt nichts, weil ich nicht verheiratet bin?«
»Das hab ich nicht gesagt. Das ist was anderes.«
»Wieso?«
»Weil …« Dem konzentrierten Kauen auf ihrer Unterlippe nach, war Lucy auf der Suche nach einem schlauen Dreh, der sie aus dieser Argumentationssackgasse retten konnte. Erfolglos.
»Ich sag dir mal was, Lucinda«, sprach Betty weiter. »Wenn man sich selbst und sein Leben zu strengen Regeln unterwirft, dann verpasst man was. Wenn ich so wie du darauf gewartet hätte, dass mir der Mann, der bis zum Tod hält, über den Weg läuft und mich dann auch noch heiratet, dann hätte ich Max jetzt nicht. Dann wäre mein Leben sicherlich auch spitzenmäßig, aber nicht ganz so spitzenmäßig wie jetzt. Selbst wenn ich es mir aussuchen dürfte: Ich würde trotzdem nichts anders machen, niemals. Ich liebe meinen Sohn.« Sie hielt den Blick fest auf die Straße gerichtet, während Lucy weiterhin auf ihrer Lippe kaute. Jetzt wahrscheinlich, weil sie so die Information, die sie eben bekommen hatte, besser verarbeiten konnte.
Ich drehte mich zu ihr nach hinten. »Das heißt natürlich nicht, dass du irgendetwas tun sollst, was du nicht tun willst.« Es war mir wichtig, das in Hinblick auf Lucys Vergangenheit klarzustellen.
Betty nickte zustimmend. »Klar, man soll nie etwas machen, was man nicht machen will. Regel Nummer zwei.«
»Und Regel Nummer eins?«, fragte ich.
»Man soll immer machen, was man machen will.«
»Ist das nicht dasselbe?«
Von links sah mich Betty an, als hätte ich gerade etwas sehr Dummes gesagt. »Nein?!«
»Also, ich will ein Eis«, erklärte Lucy.
»Bravo, Lucinda! Du lernst schnell.« Betty griff nach ihrem Handy, wählte und wartete, bis am anderen Ende geantwortet wurde. »Marco? Hier der gelbe Bus. Halt mal bei der nächsten Raststätte. Wir wollen ein Eis.« Sie war kurz still, während Marco redete, und sagte dann: »Klar darfst du auch ein Eis essen. Wenn du das willst. Ist ja schließlich Urlaub. Und jetzt fahr rechts raus, ich hab eben ein Schild gesehen.«
An der Raststätte wurde nicht nur Eis verkauft, es gab außerdem auch einen klimatisierten Gastraum, in dem man seine Speisen an Stehtischen zu sich nehmen konnte. Im ersten Moment war das sehr erfrischend, im zweiten verkündete Lucy, dass sie zum Bus zurückgehen wollte, um Pullis und Strickjacken zu holen. Extreme waren nie gut, »wir wollen uns ja keine Erkältung holen«. Nein, das wollten wir nicht. Außer Marco vielleicht, der darauf beharrte, keine Kälte zu spüren. Ein echter Kerl eben, männlich bis an die Grenzen der Vernunft. Betty warf ihm einen abschätzenden Blick zu, und ich war mir ziemlich sicher zu wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie verglich Marco mit Mo, der ohne Frage durchtrainierter war und schlichtweg der attraktivere Mann. Andererseits war Marco lustig und offen, und ich hatte ihn gleich gemocht. Im Gegensatz zu Mo, den ich noch immer nicht so richtig ausstehen konnte. Er war ein eitler Fatzke. Auch wenn er offensichtlich süße Kinder machen konnte. Oder vielleicht auch gerade, weil …
Apropos, das musste sich auch Marco gedacht haben: »Hast du eigentlich ein Foto von Max dabei?«, fragte er Betty.
»Warum?« Sie sah ihn mit großen Augen an. Irgendwie ging ihr der typische Herzeigedrang, mit dem junge Eltern sonst ausgestattet waren, komplett ab.
»Weil ich gern wüsste, wie er aussieht.«
»Willst du ihn entführen, oder was?«
Marco sah ungefähr genauso verwirrt aus wie Betty selbst. Er lachte unsicher. »Ähm … Nein?«
Es war an der Zeit, hilfreich zu intervenieren. »Betty, ich glaube, Marco ist einfach nur ein
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