Im Zweifel suedwaerts
längste Europas. Zumindest bis jetzt, wer weiß, was noch kommen mag. Wer sagen kann, nach wem die Brücke benannt ist, bekommt die Cola, die seit drei Tagen in meinem Handschuhfach liegt.«
»Ich weiß es! Ich!« Lucy warf sich aufgeregt über die Vordersitze Richtung Armaturenbrett, auf dem Bettys Handy mit Marcos Stimme drin lag, und schnipste mit ihrem Finger, als wäre sie wieder in der Schule.
»Das war nur ein Scherz«, hörten wir Marco sagen, und Lucy ließ enttäuscht den Arm sinken.
»Ich hätt’s aber gewusst.«
»Glaub ich dir.« Ich tätschelte ihr aufmunternd die Schulter. »Aber sei doch froh, dass du keine warme Cola trinken musst.«
»Hm«, machte Lucy. Sie war nicht überzeugt.
»Auf alle Fälle«, verkündete Marcos Stimme, »wäre es eine Schande, dieses beeindruckende Bauwerk zu verpassen. Das hier ist der beste Weg nach Lissabon, meine Damen, also lehnt euch zurück und genießt die Fahrt. Ach so, der Spaß kostet ein bisschen was, die Mautstation kommt gleich …« Betty und ich stöhnten gleichzeitig wegen der außerplanmäßigen Extrakosten. Die Maut- und Fischbratstrafgebühren in Frankreich hatten ein unschönes Loch in unsere Reisekasse gefressen. »Aber keine Bange!«, fuhr Marco fort, der uns laut und deutlich gehört hatte, »Ich lad euch ein. Sobald wir in der Stadt sind, verrechne ich den Betrag mit Portwein.«
Betty nickte zufrieden. »Klingt fair.«
»Portwein?« Meine Mundwinkel wanderten unwillkürlich nach unten. Da war ich endlich aus Tante Doris’ Dunstkreis raus und dem ständigen Likörchenzwang entkommen und dann das. Portwein. »Ich nehm lieber die Cola.«
»Von wegen!«, schaltete Lucy sich ein. »Die gehört wenn dann mir!«
»Hör gar nicht hin, Schnuppi.« Betty lenkte mit der linken Hand und zog mit der rechten ihren Geldbeutel aus der Ritze neben ihrem Sitz, während sie weiter ins Telefon sprach. »In Portugal trinkt man Portwein, und damit hat’s sich. Klare Sache.«
»Du sagst es«, antwortete Marcos Stimme. »Over and out.«
»Over and out, jawoll.« Betty schaltete das Handy aus und grinste mich an.
»In Bologne-sur-Mer isst man Spaghetti Bolo. In Portugal trinkt man Portwein.« Ich schüttelte matt den Kopf. »Du machst es dir wirklich leicht.«
»Genauso sollte das Leben sein, Schätzelein. Leicht.«
Eine weitere Stunde später hatten wir in Lissabon Bus und Van unter einer Schnellstraße neben dem Zoo geparkt. Ich konnte mir den ironisch gemeinten Kommentar nicht verkneifen, dass wir hier bestimmt herrlich schlafen würden. Aber Betty erinnerte mich, Schätzelein, daran, dass man nach genügend Gläsern Portwein überall gut schlafen könne.
»Na, dann müssen wir uns ja zumindest um deine Nachtruhe keine Sorgen machen.«
Der Boden unter meinen Füßen vibrierte ein wenig. Eine Nebenwirkung der stundenlangen Fahrt vermutlich, vielleicht lag es aber auch an der Schnellstraße, über die im Sekundentakt Autos und Lastwagen rumpelten. Ich hoffte stark, dass ich die Ohrstöpsel, die sich irgendwo in dem Durcheinander meiner Reisetasche befinden mussten, später würde lokalisieren können.
Lucy warf einen besorgten Blick auf die Uhr. »Schon nach neun. Bekommen wir jetzt überhaupt noch etwas zu essen?«
»Wieso sollten wir nicht?«
»Weil es spät ist?«
»Im Gegenteil. Das ist die perfekte Essenszeit im Süden.« Marco legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie mit sich, dem Stadtzentrum entgegen.
»Neun Uhr abends?!«
»Du meine Güte, Lucinda! Wir sind hier nicht in Remscheid. Die Provinz und ihre Regeln können uns nichts mehr anhaben. Das hier ist anders. Das ist Lissabon!« Betty schlug die Bustür zu, schloss ab und atmete tief die abgasgeschwängerte Luft ein. »Ich liebe es!«
Betty liebte auch die engen Gassen der Altstadt. Betty liebte die Sardinen, die ihr brutzelnd und in Öl schwimmend in dem Restaurant serviert wurden, das wir, getrieben von übermächtigem Hunger und ohne viel darüber nachzudenken, für unser Abendessen ausgesucht hatten. Die dreisprachige Speisekarte schrie »Touristenfalle«, aber Betty liebte es, genau zu wissen, was sie bestellte. Sie liebte auch den jungen portugiesischen Kellner. Und den Portwein, den sie und Marco tranken, liebte sie so sehr, dass ihr das Wort lieben irgendwann nicht mehr groß genug war und sie es verdoppeln musste. »Ich liebeliebe diesen Portwein.«
Ich fragte mich, ob sie nicht vielleicht etwas zu viel von den Abgasen unter der Schnellstraße eingeatmet hatte, oder
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