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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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großen Denker noch so oft sagen, dass nicht Worte, sondern Taten zählten, ich war eine Frau der Worte. Ich liebte »ich liebe dich«, und ich konnte nicht genug bekommen von »ich hab dich so vermisst«. Aber jetzt war es still. So hatte ich mir das nicht gedacht.
    »Es ist schön, dass du wieder da bist«, nuschelte ich irgendwo auf Richards Brusthöhe.
    Und er sagte »Ja«.
    Einfach nur »Ja«.
    Ich befreite meinen Kopf und sah ihn streng an, was er nicht wissen konnte, denn er hatte die Augen geschlossen. »Ja?!«
    Eines der Augen wurde einen Spalt weit geöffnet. »Ja.«
    »Das ist alles?!«
    »Was willst du denn hören?«
    »Alles andere!«
    »Okay. Nein.« Er schloss das Auge wieder und grinste dabei.
    Ich schnaufte empört. Mir war es ernst, und er machte Witze.
    »Tut mir leid, Daphne«, murmelte Richard schläfrig und wischte mir mit einer Hand über den Rücken. Statt Streicheln. War anscheinend auch zu viel verlangt. »Ich bin hundemüde. Ich hatte echt einen anstrengenden Flug, und gestern hab ich mit den Jungs vom Label noch bis ich weiß nicht wann Abschied gefeiert …«
    Ich verkniff mir den schnippischen Kommentar, dass ich mich freute, dass er zumindest dafür genug Energie gehabt hatte. Nur weil ich es nicht sagte, bedeutete das aber nicht, dass ich es nicht trotzdem dachte. Es war schwer, darüber hinwegzusehen, auch wenn es Sinn machte, auch wenn es komplett in Ordnung war, weil er seine New Yorker Kollegen und Freunde lange nicht mehr sehen würde und mich ab jetzt ja jeden Tag. Wir hatten so viel Zeit, das hatte ich mir doch all die Tage zuvor ausgemalt: die schöne, lange Zeit, die wir haben würden. Dann war er jetzt eben müde, egal, ab morgen fing unser munteres gemeinsames Leben an … Aber was zählt schon die Vernunft, wenn man mit enttäuschten Erwartungen zu kämpfen hat? Nichts. Es war nicht fair, und es würde auch an diesem Tag nicht mehr fair werden. »Ich hab Mandelkuchen für dich gebacken«, war das Diplomatischste, was ich herausbrachte.
    »Oh, Daphne, das ist wirklich lieb, aber ich hab doch eine Nussallergie«, sagte er und glitt in den Schlaf.
    Es war gar nicht so einfach mit der gemeinsamen Zeit.
    Hätte ich vorher gewusst, wie lang und heiß und eintönig die Strecke, die vor uns lag, werden würde, ich hätte mich dafür eingesetzt, lieber noch einen Tag auf dem Berg der Wunder zu verbringen. Nachdem wir Marcos Van folgend die Felsen und Kurven des Gebirges hinter uns gelassen hatten, ging es nur noch geradeaus, immer die Autobahn entlang, durch eine karge, staubige, schattenlose Landschaft. Skys VW -Bus hatte keine Klimaanlage, die Lüftung machte eine Menge Krach, lieferte aber keine frische Luft, und obwohl wir alle Fenster, die sich öffnen ließen, heruntergekurbelt und aufgeklappt hatten, war es in dem Bus trotzdem noch so heiß wie in einem Backofen. Und es wurde mit der Zeit eher schlimmer als besser.
    Ich konnte meine Füße nicht mehr auf das schwarze Armaturenbrett legen, wie es sonst meine bevorzugte Sitzposition gewesen war, weil ich befürchtete, mir dadurch Brandblasen zuzuziehen. Das Wasser an Bord war kochend heiß – schade, dass wir es nicht zum Duschen brauchten, sondern es eigentlich trinken wollten. Der Bezug meines Autositzes erzeugte in Verbindung mit meinem Schweiß ein extrem unangenehmes Jucken auf meiner Haut. Und apropos Jucken: Ich hatte drei neue Mückenstiche gezählt – zusätzlich zu den anderen acht Quaddeln und Pusteln, die schon vor dem Berg der Wunder da gewesen waren. Komfortables Reisen war das irgendwie nicht.
    Betty rauchte eine Zigarette, der Schweiß rann ihr den Nacken hinunter. »Lucinda?«
    Ein schwaches »Hm?« war die Antwort aus dem hinteren Teil des Busses, der immerhin schattig war, im Gegensatz zur Fahrerkabine.
    »Mich würde mal interessieren, wie es kommt, dass du so einen Schlag bei den Männern hast. Was ist deine Masche?«
    »Masche?«
    Ich lachte in mich hinein, soweit es mein erschöpfter Zustand zuließ, und streckte meinen rechten Arm aus dem Fenster, um ihn im Fahrtwind abkühlen zu lassen.
    »Na, was sagst du denen?«, präzisierte Betty ihre Frage.
    »Ich sag gar nichts. Ich hab auch keinen Schlag bei Männern. Ich will gar keinen Schlag bei Männern haben.«
    Betty nickte nachdenklich. »Das könnte es sein …«
    »Nein, Betty, ehrlich!« Irgendetwas rumpelte über den Boden, als Lucy sich von der Rückbank aufrappelte und sich hinter unsere Sitze auf die Vorratsbox setzte. »Ich will gar keine

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