Im Zwiespalt der Gefuehle
fühlte Jura einen kleinen Stich in ihrer Brust, doch sie riß sich zusammen. Sie mußte sich schließlich für die Zeit stählen, wenn er nicht mehr da sein würde.
14. Kapitel
An diesem Tag kamen sie ziemlich nah an das Gebiet der Fearen heran. Jeder von ihnen wurde wachsamer. Der Weg wurde steiler und so schmal, daß die Pferde immer wieder ausrutschten. Sie ritten ostwärts auf die aufgehende Sonne zu. Die Berge, in denen die Städte der Ulten und der Poilen lagen, erhoben sich zu ihrer Linken.
Niemand sprach, denn sie lauschten aufmerksam auf jedes Geräusch, das nicht von ihnen stammte. Zweimal beobachtete Jura, wie Brita Geralt verlangend ansah. Diese Frau hatte anscheinend einen ungeheuren Bedarf an Männern. An einem Tag begehrte Brita Rowan, und am nächsten wollte sie Geralt haben.
Vielleicht ließen Rowans Worte Jura an ihrem Bruder zweifeln, aber immer noch blickte sie ihn bewundernd an. Er saß aufrecht auf seinem Pferd und schaute Brita nicht an. Aber etwas an seiner Haltung ließ Jura ahnen, daß er Britas Blicke sehr wohl bemerkte.
Jura begegnete Rowans Blick. Aus irgendeinem Grund wurde sie verlegen und wandte sich ab. Dieser Mann war hinterhältig! Er wußte, daß seine Worte sie dazu gebracht hatten, ihren Bruder genau zu beobachten, und jetzt brachte er sie dazu, an Geralt zu zweifeln.
An diesem Abend lagerten sie an der Biegung des Flusses, der die Grenze zum Gebiet der Fearen bildete. Sie machten kein Feuer, breiteten ihre Decken auf dem steinigen Untergrund aus und legten sich schlafen. Geralt übernahm die erste Wache.
Jura war gerade eingeschlafen, als sie plötzlich aufschreckte. Das Rauschen des Flusses übertönte alle anderen Geräusche, aber ihr Gefühl sagte ihr, daß etwas nicht stimmte. Sie stützte sich auf die Ellbogen und sah sich um. Brita und Cilean schienen zu schlafen. Juras Blick schweifte hinüber zu den Felsen, auf denen Geralt Wache hielt. Rowan hatte sich abseits der anderen niedergelegt, und sie konnte ihn nicht entdecken. Sie sah zu Daire und wußte, daß er auch wach war.
Daire lag ruhig an seinem Platz, aber er deutete auf Rowans Schlafplatz unter den Bäumen und dann auf den schmalen Pfad, der in das Gebiet der Fearen führte. Juras Herz fing an, schneller zu schlagen. Aus irgendeinem Grund war dieser Engländer in das Land des Feindes geritten.
Jura schlug ihre Decke zurück, bedeutete Daire, bei Cilean und Brita zu bleiben, und schlich sich zu den Pferden. Sie ahnte, daß Rowan direkt zu Yaines Stadt reiten würde, also schwang sie sich auf den ungesattelten Rücken ihres Pferdes und ritt los. Zuerst bewegte sie sich langsam und leise vorwärts, dann wurde sie schneller.
Sie war noch nicht weit geritten, als Rowan seitlich aus dem Gebüsch stürmte. Er war zornig.
»Verdammt noch mal, Jura! « brüllte er sie an. »Du bist schlimmer als eine Mutterglucke. Reite sofort zurück zu den anderen! «
»Du bist ohne Rückendeckung losgezogen«, erwiderte sie. Ihr Pferd tänzelte. »Und du befindest dich in Feindesland. Yaines Männer werden dich töten. Sie werden nicht danach fragen, ob du ein König mit einem edlen Vorhaben bist… «
Er versuchte, sich wieder zu beruhigen. »Ich halte nach dem Boten Ausschau. Er sollte auf dem Rückweg diesen Pfad benutzen. Es ist der Weg, den die Irial nehmen, wenn sie den Fearen ihre Pferde stehlen. Der Bote sollte schon längst da sein. «
»Die Fearen werden deinen Boten nicht am Leben lassen — das heißt, wenn er überhaupt bis zu ihrem König gelangt ist. «
»Ich bin der König. Yaine ist — zur Hölle —, ich habe jetzt keine Zeit, mit dir zu streiten. Ich weiß, daß du nicht umkehren wirst, also reite mit mir. Und gib mir Rückendeckung«, rief er ihr über die Schulter zu.
Sie lächelte, als sie ihm folgte. Vielleicht lernte er ja doch noch ein paar lankonische Bräuche.
Eine Stunde lang waren sie auf dem Felsenpfad geritten, als Rowan die Hand hob und ihr bedeutete anzuhalten. Als er abstieg, tat sie es ihm nach, und so leise wie möglich führten sie die Pferde den steilen Abhang hinunter und banden sie an einen Baum.
»Ich habe den Lichtschein eines Feuers gesehen«, flüsterte Rowan. »Bleib dicht bei mir und tu nichts Dummes. «
»Du bist schließlich allein in das Gebiet des Feindes geritten«, erinnerte sie ihn. Selbst in der Dunkelheit konnte sie erkennen, daß er sie warnend ansah.
Dafür, daß er so groß und kräftig ist, bewegt er sich sehr leise, dachte sie, während sie hinter ihm
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