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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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zur Tür ging, bat ihn Huzzah leise, sie noch einmal zu besuchen, und er versprach es ihr.
    Pie wartete in ihrer Zelle, und ein Wächter stand vor der Tür.
    Der Mystif wirkte ernst und besorgt.
    »N'ashaps Rache«, sagte er und nickte in Richtung des Uniformierten. »Ich schätze, die angenehme Phase unseres hiesigen Aufenthalts geht jetzt zu Ende.«
    Gentle schilderte das Gespräch mit Aping und erzählte auch von Huzzah.
    »Das Gesetz verbietet also Prophezeiungen«, wiederholte Pie nachdenklich. »Hm, davon habe ich bisher nichts gewußt.«
    »Die Herrin der Wiege...«
    »Wahrscheinlich meint sie damit ihre Mutter.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Huzzah hat Angst und sehnt sich nach dem Trost der Mutter. Wer kann ihr deshalb einen Vorwurf machen? Die
    ›Herrin der Wiege‹ - ein Synonym für ›Mutter‹.«
    »Ich weiß nicht...«, murmelte Gentle. »Ich habe ihre Worte nicht im übertragenen Sinn verstanden und mir dabei tatsächlich eine Frau im Meer vorgestellt.«
    »Ich bezweifle, ob eine solche Entität existiert.«
    »Na schön... Nehmen wir das Mädchen mit?«
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    »Die Entscheidung liegt natürlich bei dir«, sagte der Mystif.
    »Aber an deiner Stelle würde ich ablehnen.«
    »Wenn wir es mitnehmen, will uns Aping dabei helfen, die Insel zu verlassen«, sagte Gentle.
    »Was nützt uns das, wenn wir anschließend mit einem Kind belastet sind?« erwiderte Pie'oh'pah. »Denk daran, daß wir nicht allein aufbrechen - wir sind hierhergekommen, um Scopique zu befreien. Und er sitzt nun ebenso in seiner Zelle fest wie wir. N'ashap hat beschlossen, die Zügel straffer anzuziehen.«
    »Ich nehme an, es steckt Liebeskummer dahinter«, spekulierte Gentle. »Den er dir verdankt.«
    Der Mystif schnitt eine Grimasse. »Ich bin sicher, daß man ihm bald unsere Beschreibungen übermittelt. Und bestimmt freut es ihn sehr, wenn er erfährt, daß er zwei gesuchte Verbrecher eingesperrt hat.«
    »Wir müssen also von hier verschwinden, bevor er herausfindet, was es mit uns auf sich hat. Zum Glück ist diese Domäne von der Erfindung des Telefons verschont geblieben.«
    »Vielleicht ein weiteres Verbot des Autokraten. Wenn die Bürger nicht miteinander reden, können sie auch keine Pläne schmieden.« Pie überlegte. »Vielleicht sollte ich versuchen, eine neuerliche Begegnung mit N'ashap herbeizuführen, um mit ihm zu reden. Ich könnte ihn bestimmt dazu bewegen, uns mehr Freiheit einzuräumen.«
    »An Gesprächen mit dir liegt ihm nichts, Pie«, sagte Gentle.
    »Er möchte deinen Mund auf eine andere Weise beschäftigen.«
    »Was schlägst du vor?« entgegnete der Mystif. »Willst du mit Gewalt ausbrechen, Pneumas gegen N'ashaps Leute einsetzen?«
    Der Mensch dachte darüber nach. »Das wäre nicht besonders ratsam. Ich bin noch zu schwach. In einigen Tagen könnten wir eine solche Möglichkeit in Erwägung ziehen, aber jetzt nicht.«
    »Wir müssen früher handeln.«
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    »Ja, das ist mir klar.«
    »Darüber hinaus halte ich es in jedem Fall für besser, einen unmittelbaren Konflikt zu vermeiden. N'ashaps Soldaten mögen lethargisch sein, aber sie sind in der Überzahl.«
    »Vielleicht solltest du wirklich versuchen, mit dem Leiter dieses entzückenden Instituts zu reden und ihn umgänglicher zu stimmen. Ich spreche mit Aping und schmeichle ihm, indem ich seine Bilder lobe.«
    »Taugen sie etwas?«
    »Laß es mich so ausdrücken: Als Maler gibt er einen ausgezeichneten Vater ab. Wie dem auch sei: Er vertraut mir, von Künstler zu Künstler.«
    Der Mystif stand auf, rief den Wächter und bat darum, von Captain N'ashap zu einer privaten Unterredung empfangen zu werden. Der Uniformierte brummte eine anzügliche Bemerkung und verließ seinen Posten, nachdem er den Gewehrkolben an die Türriegel gestoßen hatte, um sich zu vergewissern, daß sie alle fest in den Scharnieren saßen. Das Pochen trieb Gentle zum Fenster und veranlaßte ihn, nach draußen zu sehen - in der dichten Wolkendecke zeigten sich einige helle Stellen, die Sonnenschein verhießen. Pie trat an seine Seite und legte ihm den Arm um die Schultern.
    »An was denkst du?«
    »Erinnerst du dich an Efreets Mutter in Beatrix?«
    »Natürlich.«
    »Sie träumte von mir«, sagte Gentle. »Sie träumte davon, daß ich an ihrem Tisch Platz nahm. Allerdings wußte sie nicht, ob sie einen Mann oder eine Frau erwarten sollte.«
    »Was dich zutiefst beleidigt hat.«
    »Früher wäre ich sicher gekränkt gewesen. Aber zu jenem Zeitpunkt schienen die Worte kaum etwas zu

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