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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sich?«
    »Er ist der Mangler, der behauptete, Christus zu sein. In der Nähe des Hafens sammelte er eine Schar von Jüngern.«
    »Dann kennen wir sein Ziel?«
    »Ja.«
    »Sicher beabsichtigen auch die anderen, zu ihren jeweiligen Gruppen zurückzukehren, früher oder später. Wenn es soweit ist, müssen wir vorbereitet sein. Keine Verhaftungen. Keine Prozesse. Sorgen Sie dafür, daß die Burschen verschwinden, ohne Aufsehen zu erregen.«
    »Ja, Sir.«
    »Übrigens: Ich möchte nicht, daß Quaisoir davon erfährt.«
    »Ich glaube, sie weiß schon Bescheid«, erwiderte Rosengarten.
    »Dann verzichten wir darauf, sie mit Einzelheiten zu belästigen«, sagte der Autokrat.
    »Ich verstehe.«
    »Diskretion ist angebracht.«
    »Da wäre noch etwas, Sir.«
    525

    »Ich höre.«
    »Vor der Rebellion befanden sich zwei weitere Personen auf der Insel...«
    »Und?«
    »Nun, ich weiß nicht recht, was ich von dem Bericht halten soll. Eines der beiden Individuen scheint ein Mystif gewesen zu sein. Die Beschreibung des anderen dürfte Sie interessieren...«
    Rosengarten reichte die Unterlagen dem Autokraten, der zu-nächst nur einen kurzen Blick darauf warf und dann aufmerksamer las.
    »Wie zuverlässig ist das?« fragte er.
    »Das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Beschreibungen sind bestätigt worden, aber bisher hatte ich keine Gelegenheit, die Männer selbst zu verhören.«
    »Holen Sie es so schnell wie möglich nach.«
    »Ja, Sir.«
    Der Autokrat gab Rosengarten den Bericht zurück. »Wie viele Leute haben das hier gesehen?«
    »Auf meine Anweisung hin sind alle Kopien vernichtet worden, Sir. Diese Informationen waren nur den Vernehmungsbeamten, ihren Vorgesetzten und mir selbst zugänglich.«
    »Die überlebenden Wächter der Anstalt müssen zum Schweigen gebracht werden. Stecken Sie die Kerle nach einem Kriegsgerichtsverfahren ins Gefängnis und werfen Sie den Schlüssel weg. Die Vernehmungsbeamten und ihr Vorgesetzter dürfen nichts ausplaudern. Falls etwas durchsickert, werden sie dafür mit dem Tod bestraft.«
    »Ich teile es ihnen mit, Sir.«
    »Was den Mystif und seinen Begleiter betrifft... Ich nehme an, sie sind zur Zweiten Domäne unterwegs. Erst Beatrix, und jetzt die Wiege. Vermutlich heißt ihr Ziel Yzordderrex. Wie viele Tage sind seit dem Aufstand vergangen?«
    526

    »Elf, Sir.«
    »Dann treffen sie bald in der Stadt ein, auch wenn sie zu Fuß unterwegs sind. Spüren Sie das Paar auf. Ich möchte soviel wie möglich über die beiden Personen herausfinden.« Der Autokrat sah aus dem Fenster, und sein Blick glitt über die Wüste von Kwem. »Wahrscheinlich beschreiten sie den Fastenweg. Und vielleicht passieren sie diesen Ort in einer Entfernung von nur wenigen Kilometern.« Seine Stimme klang fast aufgeregt.
    »Zum zweiten Mal hätten sich unsere Wege beinahe gekreuzt.
    Und jetzt die Zeugen, die ihn so gut beschreiben... Was bedeutet das? Was bedeutet das?«
    Rosengarten schwieg immer dann, wenn er eine Frage nicht beantworten konnte - eine bewundernswerte Eigenschaft.
    »Ich weiß es auch nicht«, fügte der Autokrat hinzu.
    »Vielleicht sollte ich nach draußen gehen, an die frische Luft.
    Heute fühle ich mich sehr seltsam.«
    Noch immer erinnerte ein Loch an den Zapfen, doch der Wind heilte allmählich die Wunde im Boden. Der Autokrat wußte aus Erfahrung: Am Rand der Grube fiel ihm das Meditieren leichter. Er versuchte nun, konzentriert nachzudenken. Seide schützte Mund und Nase vor dem Wind, und der lange Pelzmantel war bis zum Kragen zugeknöpft; die Hände ruhten tief in den Taschen. Doch diesmal wartete er vergeblich auf inneren Frieden. Es mochte nützlich sein, sich auf das Geistige zu besinnen, wenn die Fülle der Welt mit unbeschränktem Luxus lockte, doch jetzt brachte dies eine Leere, die er fürchtete. Gleichzeitig hatte er Angst davor, daß irgend etwas das Vakuum füllen könne - er verglich es mit dem Nichts an der Seite eines Zwillings, der seinen Bruder in der Gebärmutter verloren hatte. Ganz gleich, wie hoch er die Mauern seiner Festung baute und wie sehr er die Seelen abschirmte, vom Rest des Universums isolierte: Es gab jemanden, der immer Zugang hatte, und dieser Gedanke brachte Herzklopfen. Jener Andere kannte ihn so gut wie er 527

    sich selbst: seine Schwächen und Wünsche, seinen Ehrgeiz, seine Ambitionen. Ihre gemeinsamen Angelegenheiten (die meisten davon recht blutig) waren über zwei Jahrhunderte hinweg geheim und ungesühnt geblieben, aber er gab sich nicht der

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