Imagica
er.
»Das haben wir bereits vermutet.«
»Die meisten Angehörigen meines Volkes befinden sich nicht mehr in diesem Kesparat.«
»Wo sind sie?«
»Einige von ihnen wurden gefoltert und umgebracht. Andere 577
müssen Sklavenarbeit leisten.«
»Jetzt kehrt der verlorene Sohn zurück«, meinte Gentle.
»Warum freut man sich nicht darüber, dich nach langer Zeit wiederzusehen?«
»Diese Leute glauben, ich sei ein Spion - oder verrückt. Sie sehen eine Gefahr in mir und wollen mich für ein Verhör hierbehalten. Die Alternative besteht aus unverzüglicher Hinrichtung.«
»Eine tolle Begrüßung.«
»Wenigstens gibt es noch Überlebende. Als ich vergeblich an die Türen klopfte, als die Straßen still und leer blieben...«
»Ja, ich weiß, was du dabei dachtest«, sagte Gentle. »Mir gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Nun, sprechen die Henker Englisch?«
»Ja, natürlich. Aber weil sie stolz sind, verwenden sie nur ihre eigene Sprache.«
»Wie dem auch sei - Sie verstehen mich, oder?«
»Bitte nicht, Gentle...«
»Ich möchte ihnen nur sagen, daß wir keine Feinde sind.«
Zacharias wandte sich an die vier Personen. »Meinen Namen kennen Sie bereits«, begann er. »Pie'oh'pah und ich haben diesen Ort in der Hoffnung aufgesucht, Freunde zu finden. Wir sind weder Spione noch Mörder.«
»Misch dich nicht ein, Gentle«, mahnte Pie.
»Wir haben einen langen Weg hinter uns - von der Fünften bis hierher. Und Pie hat die ganze Zeit über davon geträumt, sein Volk wiederzusehen. Verstehen Sie? Sie sind der Traum, der Pie'oh'pah veranlaßte, den langen und beschwerlichen Weg bis hierher zu beschreiten.«
»Das spielt keine Rolle für sie, Gentle«, sagte der Mystif.
»Es sollte eine Rolle für sie spielen.«
»Es ist ihr Kesparat«, entgegnete Pie. »Wir können ihnen nicht vorschreiben, was sie für wichtig halten sollen und was nicht.«
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Gentle dachte darüber nach. »Pie hat recht«, meinte er. »Dies ist Ihr Kesparat, und wir sind nur Besucher. Aber eines möchte ich klarstellen.« Er sah die Frau an, deren Seidenklinge den Mystif bedroht hatte. »Pie'oh'pah ist mein Freund. Und ich werde ihn schützen, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln.«
»Du bringst uns noch mehr in Schwierigkeiten«, sagte Pie.
»Bitte hör auf.«
»Ich dachte, hier würde man dich mit offenen Armen empfangen«, erwiderte Gentle, während sein Blick über die ausdruckslosen Gesichter der vier Gestalten hinwegstrich.
»Was ist los mit ihnen?«
»Sie versuchen nur, das Wenige zu bewahren, das ihnen geblieben ist«, erklärte Pie. »Der Autokrat hat schon mehrmals Spione geschickt. Es kam zu Überfällen und Entführungen.
Kinder wurden verschleppt - und man schickte nur ihre Köpfe zurück.«
»Jesus...« Gentle schluckte und entschuldigte sich, nicht nur bei Pie, sondern auch bei den vier Eurhetemecs. »Es tut mir leid. Ich... ich wollte nur meinen Standpunkt verdeutlichen.«
»Du hast ihn verdeutlicht«, sagte Pie. »Und jetzt überlaß die Sache mir. Gib mir einige Stunden Zeit, damit ich diese Leute davon überzeugen kann, daß wir keine Spione sind.«
»Natürlich. Wenn du das für nötig hältst... Huzzah und ich warten, bis du alles geregelt hast.«
»Aber nicht hier.« Der Mystif vollführte eine vage Geste.
»Davon rate ich ab.«
»Warum?«
»Bitte, Gentle...«, drängte Pie sanft.
»Fürchtest du, daß man uns hier umbringt?«
»Nun, ich... Diese Möglichkeit läßt sich nicht ganz ausschließen.«
»Na schön«, brummte Zacharias. »Wir gehen, jetzt sofort.
Wir alle.«
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»Ausgeschlossen. Ich bleibe, und du brichst mit dem Mädchen auf. So lautet das Angebot, das man mir unterbreitet hat. Darüber kann nicht verhandelt werden.«
»Ich verstehe.«
»Es wird alles gut, Gentle«, versicherte Pie. »Ich schlage vor, du kehrst zu dem Cafe zurück, in dem wir gefrühstückt haben. Findest du den Weg dorthin?«
»Ich finde ihn bestimmt«, warf Huzzah ein. Bisher hatte sie stumm zugehört und den Kopf gesenkt gehalten. Als sie nun aufsah, glänzten Tränen in ihren Augen.
»Warte dort auf mich, Engelchen«, sagte Pie und benutzte zum erstenmal den Kosenamen, den das Mädchen von Gentle bekommen hatte. »Zusammen mit Gentle.«
»Wenn der Abend dämmert und du noch immer fort bist...«
Zacharias holte tief Luft. »Dann suchen wir nach dir.« Er lächelte bei diesen Worten, doch in seinen Augen glitzerte eine Drohung.
Der Mystif streckte die Hand aus. Gentle griff danach und
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